2019/9 | Fachbeitrag | Digitale Transformation

Brachliegendes Potenzial: Deutsche Unternehmen vertrödeln die Digitalisierung

von Manfred Aull

Inhaltsübersicht:

Digitalisierung ist mehr als ein CRM-System

Die gute Nachricht zuerst: In Punkto Customer Relationship Management-Systemen ist Deutschland auf dem Vormarsch. Die Studie ergibt, dass heute fast vier von fünf Unternehmen über ein solches System verfügen, weitere 12,9 Prozent arbeiten an der Einführung innerhalb der nächsten 24 Monate. Anscheinend haben Unternehmen hier erkannt, was die Uhr geschlagen hat und wie wichtig ein CRM-System für die Arbeit der Vertriebsabteilung ist. Positiv ist daher auch zu bewerten, dass rund 12 Prozent der Studienteilnehmer berichteten, ihr CRM-System in den nächsten zwei Jahren updaten bzw. austauschen zu wollen. Eine kluge Entscheidung, denn auch hier verläuft die technische Entwicklung in einem rasanten Tempo. Systeme der neuen Generation decken heute ein wesentlich breiteres Anwendungsspektrum ab und können Verkäufern eine echte Stütze im Arbeitsalltag sein.

Allerdings ist es nicht damit getan, das System anzuschaffen. Eine Datenbank ist nur etwas wert, wenn sie auch gut gepflegt ist! Je besser und detaillierter die abgespeicherten Informationen, umso eher ist es möglich, den Vertrieb effektiv zu gestalten und bedarfsorientierte Angebote zu machen. Klingt großartig – doch zu viele Vertriebsmitarbeiter scheinen die Pflege des CRM-Systems immer noch als lästige Aufgabe abzutun, die sie von ihrem „Hauptjob“, dem Verkaufen, abhält. Anders lässt es sich nicht erklären, dass man in mehr als einem Drittel der befragten Unternehmen annimmt, dass jeder fünfte Kundendatensatz fehlerhaft ist. Hier herrscht dringender Handlungsbedarf! Die Pflege der richtigen Daten ist das A und O, auch wenn es nicht immer Spaß macht. Statt nur in eine umfangreiche, neue Datenbank zu investieren, sind Unternehmen gut damit beraten, auch Mitarbeiterschulungen anzuberaumen. Damit zukünftig alle Vertriebsmitarbeiter wissen, wie sie optimal mit dem CRM-System arbeiten und so ihre Umsätze nachhaltig steigern.

Buyer Personas statt Bauchgefühl

Eins sollte klar sein: Mit Produktbroschüren, Datenblättern und einem Informationsmonolog können Verkäufer heute keine Kunden mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Kunden wissen heute durch Eigenrecherche bereits sehr genau, was sie suchen, bevor sie überhaupt mit einem Verkäufer in Kontakt treten. Umso wichtiger, dass Unternehmen heute ihre Kunden kennen – mit all ihren Wünschen, Zielen und Besonderheiten. Klar lässt sich sowas im Gespräch ermitteln. Aber wie viel besser wäre es, wenn Verkäufer bereits einen Schritt voraus wären und wüssten, mit wem sie es zu tun haben – und welche Verkaufsstrategie am besten funktioniert. Die Lösung heißt Buyer Personas. Fiktive Personen, die stellvertretend für die Zielgruppe stehen und auch als Grundlage dienen, um zielgruppenspezifische Vertriebsprogramme zu entwickeln. Welche Strategie führt Sie bei welcher Art von Kunde zum Erfolg? Gerade in Zeiten, in denen immer individuellere Vorgehensweisen nötig sind, ist das Gold wert. Längst ein Standard, sollte man meinen. Schließlich wurde die Methode bereits in den späten 1990er Jahren von Alan Cooper entwickelt. Doch in der großen Mehrheit deutscher Unternehmen scheint man sich lieber weiterhin auf das gute alte Bauchgefühl verlassen zu wollen. Anders lässt sich nicht erklären, wieso gerade einmal 25 Prozent der Studienteilnehmer mit der Methode arbeiten.

Schluss mit dem Gießkannen-Prinzip!

Verkäufer nehmen oft jede sich bietende Gelegenheit wahr, um Geschäft zu machen. Von der Motivation her erst einmal löblich, doch oft kommt es auch dazu, dass sich ein Mitarbeiter verrennt und am Ende zu wenige Aufträge zustande kommen. Oder solche, die in keinem Verhältnis zu den investierten Ressourcen stehen. Ich kann Unternehmen daher nur dazu raten, nachvollziehbare Kriterien aufzustellen, anhand derer das Potenzial von Geschäftsmöglichkeiten analysiert und entsprechend gehandelt wird. Und bitte verabschieden Sie sich auch von dem altbewährten „Gießkannen-Prinzip“: Es ist auch absolut nicht mehr zeitgemäß, sämtliche potenzielle Kunden mit dem gleichen Angebot anzugehen. Klar wird irgendwann einer anbeißen – doch wie viele Interessenten haben Sie mit dieser monotonen Vorgehensweise verloren, weil sie sich nicht abgeholt gefühlt haben? In den USA arbeitet bereits die Mehrzahl der Unternehmen mit Account-based Marketing (ABM), sprich Zielkunden werden mit maßgeschneiderten Marketingmaßnahmen und Inhalten angegangen. Eine technisch gestützte Methode, die weit über das klassische Zielkundenmarketing im Rahmen des Key Account Management hinausgeht. Eigentlich ein Leichtes, vorausgesetzt, die Buyer Personas stehen und das CRM-System ist so gut gepflegt, dass wertvolle Informationen und Kontakte entsprechend miteinander gematcht werden können. Und in Deutschland? Zappenduster: Von den Auskunftspersonen hatte über ein Drittel noch nicht einmal von den Begriffen Account-based Marketing bzw. Sales gehört. Die Folge: Weniger als 20 Prozent nutzen das für die personalisierte Kundenbearbeitung im B2B-Bereich entwickelte Account-based Marketing. Verschenktes Potenzial!

Fazit

Die Digitalisierung steckt im Vertrieb in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Um nicht von internationalen Wettbewerbern abgehängt zu werden, muss jetzt sofort gehandelt werden! Gute Verkäufer sind wichtig – doch neuste CRM-Systeme mit Sales Funnels und Marketing Automation mit KI-Unterstützung, E-Mail-Marketing und Co. helfen enorm bei der Prozessvereinfachung und ermöglichen die Erstellung zielgruppen- und bedarfsorientierter Angebote. Um heute langfristige Geschäftsbeziehungen aufzubauen, ist es wichtig, schnell eine tragfähige Arbeitsbasis mit dem Zielkunden zu erreichen. Weiterentwicklung ist hier unumgänglich, denn die Digitalisierung hat unsere Welt um ein Vielfaches schneller gemacht.

 

 

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