2000/5 | Fachbeitrag |
Best-Practice-Konzepte zur Wissensvernetzung
Von Stefan
Inhaltsübersicht:
- Die Grundregel: Schneller sein im Besser sein
- Klare Ziele im Wettbewerb: Formulierung der Zielsetzung
- Wissen: Inhalte, Kontext, Träger und Prozesse
- Kultur und Wissensprozesse
- Das Konzept der Wissensräume
- Wissensvernetzung: die Bildung standardisierter Wissensmodule
- Der Weg in die Zukunft – Wissen erzeugen
"Haben
wir doch schon immer so gemacht", wird uns oft entgegnet, wenn
von Wissensmanagement die Rede ist. Ist Wissensmanagement also doch
nur ein neues Schlagwort aus der Managementliteratur, eine leere
Worthülse für alte Ansätze?
Wir sind
sicher, mit einem klaren Nein antworten zu können. Hinter dem
neuen zugegeben allzu häufig strapazierten Begriff
liegt ein Paradigmenwechsel in der Informationsvernetzung: Wissensmanagement
bedeutet die Abkehr von technikgetriebenen Systemen und die Hinwendung
zu ganzheitlichen, von den Inhalten bestimmten Systemen.
Dieser Beitrag
zeigt Schlaglichter auf ein aktuelles Konzept, das in der Zusammenarbeit
zwischen einem Beratungsunternehmen (Arthur D. Little) und einem
IT-Unternehmen (LARS Software GmbH) entstanden ist und sich mehrfach
als Best Practice in der Praxis bewährt hat.
Die Grundregel: Schneller sein im Besser sein
Die Arbeitswelt
hat sich geografisch verteilt; gleichzeitig ist die Informationsbasis,
auf der wir unsere Arbeit abwickeln und Entscheidungen treffen,
enorm angewachsen. In der Innensicht unserer Unternehmen sind die
Arbeitsprozesse komplexer geworden, nach außen ist die Wettbewerbssituation
internationaler, in einigen Branchen global geworden.
Wo liegen Ihre
Vorteile? Ihre Wettbewerber produzieren in Indien, finanzieren tagesaktuell
und flexibel in der ganzen Welt, sind vielleicht an der besseren
Börse notiert oder haben gestern das bessere Know-how in Ungarn
aufgekauft. Wie also wollen Sie besser sein?
Der innere
und äußere Druck erzwingt höhere Geschwindigkeiten
und höhere Performance. Nicht zum Selbstzweck, denn es geht
nicht einfach darum, schneller zu sein das könnte auch
die schnellere Minderung des Erfolges bedeuten. Es geht vielmehr
um ein Schneller sein im Besser sein.
Dass man dafür
heute Knowledge Management (KM) in den meisten Branchen einsetzen
muss, bestreitet kaum noch jemand. Doch Wissensmanagement in den
traditionellen IT-Szenarien ist in der Umsetzung zu langsam. Wenn
man heute eine KM-Umgebung aufbaut und für deren Einführung
ein Jahr beansprucht, sieht die innere und äußere Welt
des Unternehmens schon wieder anders aus, kaum dass sich die Beteiligten
einer fertigen Lösung sicher wähnen. Die Einführung
eines KM-Systems darf keinesfalls länger als drei Monate in
Anspruch nehmen. Die Implementierung von Wissensmanagement ist zeitkritisch
in einem sich verstärkenden wissensbasierten Wettbewerb.
Die Lösung
liegt in einem klaren Konzept und zugehörigen Standardapplikationen,
die flexibel auf den individuellen Bedarf eingestellt werden können.
Die Globalisierung,
New Economy und der damit verbundene Wettbewerbsdruck haben nicht
nur große Unternehmen, sondern auch umfassend den Mittelstand
erreicht. Nach allgemeiner Einschätzung liegen hier auch große
Chancen, insbesondere durch den Einsatz von Wissensmanagement. Man
muss geradezu an den Mittelstand appellieren, diese Innovationsforderung
anzunehmen und die Möglichkeiten eines flexiblen mittelständischen
Unternehmens auf der Know-how-Seite voll auszuschöpfen. Schneller
in der Produktinnovation zu sein, effizienter im Networking mit
Partnerunternehmen zu sein, den besseren Service anzubieten
darin liegen phantastische Wachstumspotenziale für den Mittelstand.
Gerade der
Mittelstand benötigt hier handfeste, schnell umsetzbare Konzeptionen
und zugehörige Standardlösungen. Diese möchten wir
nachfolgend skizzieren.
Ziele im Wettbewerb: Formulierung der Zielsetzung
Der häufigste
Fehler, der bei der Implementierung von Wissensmanagement gemacht
wird, ist eine unscharfe Formulierung der Ziele. Dabei hat Wissensmanagement
nicht zum Ziel, "irgendwie" mehr Wissen besser zu verteilen,
sondern verfolgt immer wirtschaftliche Ziele.
In der Regel
lassen sich die Ziele klar mit einem wirtschaftlichen Gewinn fixieren
und später messen. Beispiele sind:
- Arbeitsprozesse absichern (Qualität steigern)
- Arbeitsprozesse in der Organisation effizienter gestalten (Kosten senken)
- Ressourcen besser nutzen
- Kundenbedarf besser und/oder schneller verstehen
Fallbeispiel: Kostenkontrolle durch Erfahrungswissen |
Ein Architekturbüro erfreut sich an einem jährlichen Personalwachstum von 10 bis 20 Mitarbeitern. Nach 2 Jahren sinkt der Ertrag jedoch dramatisch. Als Ursache werden die zahlreichen Nachbesserungsarbeiten erkannt, die im Verhältnis zur Anzahl der Projekte weit häufiger als früher auftreten. Eine kurze Analyse zeigt, dass sie überwiegend auf immer wiederkehrende Fehler in der Projektbearbeitung zurückzuführen sind. Ein Wissensmanagement-System für die Projektbearbeitung wird eingeführt. Jeder Projektleiter wird nach Abschluss eines Projektes nach positiven und negativen Erfahrungen befragt; die Ergebnisse werden in das System eingebracht. Analog werden auch die Nachbesserungen aufgenommen. Jeder Projektbearbeiter wird geschult, die Meilensteine des Projektes mit Prüfungen der Wissensdatenbank zu begleiten. Nach einem Jahr Laufzeit ist der Nachbesserungsanteil um mehr als die Hälfte verringert. |
Wissen: Inhalte, Kontext, Träger und Prozesse
Den wichtigsten
Schritt zur Modellierung des Begriffes Wissen möchten wir entlang
eines Beispiels aus dem Alltag entwickeln: Sie sind in einer fremden
Stadt und möchten am Abend ein Konzert besuchen. Um den Konzertsaal
zu finden, gibt es unterschiedliche Wege: Ein Taxifahrer weiß
es, er kann die Information geben. Oder man besorgt sich eine Karte,
in der die Information enthalten ist.
In beiden Lösungswegen
ist zunächst nur die Information vorhanden; der Transfer des
Wissens findet nur unter bestimmten Bedingungen statt: Man muss
einen Taxifahrer finden und im Erfolgsfall die Sprache
des Taxifahrers verstehen. Mit der Karte ist es ähnlich
man muss sich die Karte besorgen können und die Information
der Karte auch lesen können. Zugriff und Verstehen sind die
prägenden Begriffe von Wissen: Wissen ist verstandene Information.
Fassen wir
zusammen: Grundlage des Wissensbedarfs ist der Prozess "Konzert
besuchen". Hier gibt es den wissenskritischen Abschnitt "Konzertsaal
finden", für den man auf unterschiedliche Wissensträger
zurückgreifen kann einen Taxifahrer oder einen Stadtplan.
Wenn die Informationen der Wissensträger in den Kontext des
Empfängers passen, wird der Prozess erfolgreich abgestützt.
Das kleine
Beispiel lässt sich gut verallgemeinern auf die grundsätzliche
Vorgehensweise:
- Ziele definieren.
- Die für die Ziele wichtigen Prozesse identifizieren.
- Die wissenskritischen Abschnitte der Prozesse identifizieren.
- Die zugehörigen relevanten Wissensträger benennen.
- Den Kontext festlegen.
und Wissensprozesse
Bei der Einführung
von Wissensmanagement gibt es zwei weitere wichtige Felder, um die
man sich kümmern muss: die internen Prozesse des Wissensmanagements
und eine auf das Wissensmanagement ausgerichtete innere Unternehmenskultur.
Beide Komponenten - Prozesse und Kultur - sind kritische Erfolgsfaktoren.
Erfolgreiches
Wissensmanagement erfordert klar definierte interne Arbeitsabläufe.
Welcher Art solche KM-Prozesse sind, hängt von den Wissensträgern
ab. Im Zentrum stehen in jedem Fall die Zugangsprozesse und die
Prüfprozesse. Die Unterstützung solcher Prozesse muss
im gesamten KM-Umfeld, einschließlich der IT-Infrastruktur,
angelegt sein.
Im besten Fall
ist bereits eine Unternehmenskultur gegeben, in der Wissen als Erfolgsfaktor
für alle Beteiligten wahrgenommen wird. Natürlich gibt
es für das Gebiet der Wissenskultur keine Standardlösungen.
Den Einfluss der Standard-Softwaresysteme sollte man zum Thema Kultur
aber keinesfalls unterschätzen. Mindestforderung ist eine Unterstützung
durch:
- niedrige Schwellen für den Einstieg, sowohl technisch als auch für die Benutzeroberfläche (Installationen, Setup, spezielle Browser-Ergänzungen, Schulung)
- beliebige räumliche Verteilung
- persönliche Agenten und Auswertungsassistenten
- einfache Benutzerführung und damit schnelle Ergebnisse für jeden Benutzer
- ansprechende, moderne und klare Oberfläche
Wissensmanagement
ist aktives Managen von Wissen. Das Ineinandergreifen der vier tragenden
Elemente Inhalt, Kontext, Prozesse und Kultur ist erfolgsentscheidend.
Diese Dimensionen spannen den so genannten Wissensraum auf.
Die vier Dimensionen des Wissensraums |
Technisch ist
die Umsetzung anspruchsvoll, da KM-Systeme einheitlich über verschiedenste
Wissensträger arbeiten, gleichwohl unterschiedlichste Sichten
bieten müssen. Moderne Systeme verwenden hierzu Methoden der
Data Dictionaries oder der Datenbanken höherer Ordnung (Hyper
Bases). Kontexte werden mit hierarchischen Thesauri umgesetzt.
Solche Anforderungen
entfernen uns deutlich von Dokumentenmanagement-Systemen (DMS).
Wissensmanagement enthält zwar DMS-Komponenten, aber die Wissensteile
in einem KM-System sind nicht dokumentengebunden: Sie können
eines, keines oder sehr viele Dokumente referenzieren.
Das Konzept
des Wissensraumes zeigt die herausfordernde Stellung der KM-Systeme:
Sie verbinden Inhalt, Kontext, Kultur und Prozesse. Mit einfachen
DMS-Anwendungen oder Portalen ist die Wertschöpfung folglich
nicht herzustellen. Aber bei aller Herausforderung: Hier hat die
IT-Abteilung die Chance, nicht nur Dienstleister zu sein, sondern
als Antriebskraft (Enabler) zu fungieren.
die Bildung standardisierter Wissensmodule
Wir haben dargestellt,
dass Wissensmanagement über den Prozess Zielsetzung
Prozess Inhalte Wissensträger Wissen aufgebaut
wird. Wissensmanagement ist folglich branchenspezifisch und differenziert
in der Regel unterschiedliche Organisationseinheiten. So muss Wissensmanagement
neben den Dimensionen Inhalt, Kontext, Kultur und Prozesse zusätzlich
die Dimension der Organisationseinheiten vernetzen.
Wissensmanagement vernetzt die Organisationseinheiten des Unternehmens. |
Die viel zu
einfachen Wege der DMS und Portale sind damit endgültig verlassen.
Die Parallele zu betriebswirtschaftlichen Standardapplikationen
drängt sich auf. Das ist auch nur natürlich, da sich beide
Welten daran auszurichten haben, welches Geschäft mit welchen
Zielen reflektiert wird. Die Folgerungen sind weitreichend, geht
es doch um nicht weniger, als beispielsweise die Sicht von Forschung
und Controlling konsistent zu verknüpfen.
Die Lösung
für diese Aufgaben kann nicht in komplex zu bedienenden Systemen
liegen. Gerade die oben genannte Analogie zu betriebswirtschaftlichen
Standardapplikationen birgt alle Warnungen, auf die wir hören
sollten. Die Lösung können wir nur in Systemen finden,
die heute bereits mit Strukturbeschreibungen dem ganzheitlichen
Umfeld Rechnung tragen, um diese Verbindungen mit geringem Aufwand
zu realisieren ("Schneller sein im Besser sein"). Die
Wertschöpfung liegt in Lösungen, welche die Wissensvernetzung
auf klar und logisch weiterverfolgten Wegen anbieten.
Der Weg in die Zukunft Wissen erzeugen
Wenn man Wissen
kategorisieren möchte, schaut man in der Literatur nach. Dort
findet man die Gegenüberstellung von "implizitem zu explizitem"
Wissen, "internem zu externem" Wissen oder "individuellem
zu kollektivem" Wissen und vieles andere mehr. Diese Kriterien
gibt es, natürlich, sie sind auch wichtig. Doch halten wir
den Schwerpunkt auf diesen Kriterien, wie er in der aktuellen Diskussion
gesetzt wird, für überbewertet. Diese Bewertung verharrt
in einer statischen, generischen Sicht und blockiert den Blick auf
wichtigere Verbindungen.
Lassen Sie
uns auf das Beispiel des Konzerts zurückkommen, denn es zeigt
die elementare Unterscheidung. Dargestellt wurden:
- Prozesse – die Problemstellung
- Inhalte – die Information des Taxifahrers
- Kontext – das Verstehen der Information
Während
die Verbindung von Prozess zu Information zu Wissen sehr gut verarbeitet
wird, bleibt unberücksichtigt, dass die Methodologie der wesentliche
Teil der Wissensgewinnung ist: Wie man an das Wissen gelangt
über den Taxifahrer oder über einen Stadtplan. Das ist
die Methode der Wissensgewinnung.
Es ist offenkundig,
dass im Wissensmanagement der Übergang von einem dokumentengetriebenen
Ansatz zu einem inhaltlichen Konzept völlig neue Perspektiven
eröffnet. Mit der Verbindung von Methoden- und Faktenwissen
wird nach unserer Auffassung genau dieser Weg die Lücke bei
der Vernetzung und dem Verstehen der Zusammenhänge schließen
im Unternehmen selbst und im Zusammenspiel mit Kunden und
Lieferanten.