2011/1 | Editorial | Wissensmanagement

Ausrangiert! Erfahrungswissen auf dem Abstellgleis?

von Oliver Lehnert

"Erfahrungen sind Maßarbeit. Sie passen nur dem, der sie macht", stellte schon der italienische Arzt und Schriftsteller Carlo Levi (1902 – 1975) fest. Und genau aus dem Grund ist es so schwer, sie jedem einzelnen Mitarbeiter zu entlocken – und für andere zugreifbar und nutzbar zu machen. Und trotz der erheblichen Anstrengungen, die damit verbunden sind, gehört diese Aufgabe momentan zu den wichtigsten Herausforderungen in den Unternehmen. Denn ihnen droht im Zuge der bevorstehenden Pensionierungswelle eine immense Abwanderung nicht nur von hoch qualifiziertem – erfahrenem – Personal, sondern auch von wertvollem (impliziten) Unternehmenswissen.

Während einige Unternehmen schon seit Jahren versuchen, diesen "Schatz" zu heben, verweilt das Gros der Firmen noch bei den Vorbereitungen. Bisher hatten viele auf die junge Generation gesetzt, die mit neuem – vermeintlich besserem – Wissen auf den Arbeitsmarkt strömte, und sind damit einem Trugschluss aufgesessen: Denn zum einen droht dieser Strom im Zuge des demografischen Wandels abrupt abzubrechen. Zum anderen kann neues Wissen das jahrzehntelange Erfahrungswissen der Generation 50plus nicht ersetzen – sondern nur ergänzen. Hier müssen Unternehmen dringend gegensteuern – indem sie die erfahrenen Mitarbeiter an sich binden, sie mit dem Nachwuchs ins Gespräch bringen und so einen aktiven Erfahrungsaustausch etablieren. Andernfalls droht ihnen ein Rückschritt, der durchaus wirtschaftliche Risiken mit sich bringen kann: "Nimm die Erfahrung und die Urteilskraft der Menschen über 50 Jahre heraus aus der Welt, und es wird nicht genug übrigbleiben, um ihren Bestand zu sichern", prophezeite Henry Ford (1863 – 1947).
Genau diesen Bestand zu sichern, ist die Herausforderung für die Unternehmenswelt von heute. Das Erfahrungswissen der Generation 50plus gehört demzufolge keineswegs auf das Abstellgleis. Es ist die Zugmaschine der Unternehmen. Doch nicht nur das Wissen der "Älteren" ist wertvoll, ebenso ihre Arbeitskraft. Auch diese gilt es zu erhalten. Entsprechende Unternehmensprogramme können helfen, die körperliche Fitness bis ins hohe Alter zu erhalten, die Lernbereitschaft zu fördern und damit den Spaß an der Arbeit nicht zu verlieren. Und wer Wertschätzung erfährt und das Gefühl hat, dass auf seine individuellen Bedürfnisse eingegangen wird, der bleibt seinem langjährigen Arbeitgeber mit hoher Wahrscheinlichkeit noch etliche Jahre treu. Wenn Unternehmen genau dieses Ziel erreichen, können sie die "gewonnene" Zeit nutzen, um das wertvolle Erfahrungswissen von den Älteren auf die Jüngeren übergehen zu lassen.


Wie Unternehmen dem Arbeitskräftemangel entgegentreten können, welche Strategien und Lösungsansätze es gibt – das lesen Sie in unserem aktuellen Titelthema ab Seite 18.


Ihr

Oliver Lehnert

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