2007/7 | Fachbeitrag | Wissensweitergabe

Aus Erfahrung lernen

von Rainer Flake

Von Rainer Flake

Inhaltsübersicht:

 

 

Ein Teamleiter soll erstmals mit Mitarbeitern Zielvereinbarungsgespräche führen, ein Gruppenleiter erstmals Angestellte entlassen, ein Bereichsleiter erstmals zwei Abteilungen fusionieren. Immer wieder stehen Führungskräfte vor Aufgaben, die sie noch nie gelöst haben. Entsprechend groß muss ihre Bereitschaft zu lernen sein. Deshalb integrieren die Unternehmen in ihre Förderprogramme zunehmend Maßnahmen, die die künftigen Führungskräfte beim Lernen im Arbeitsalltag unterstützen.

Führungskonferenzen: Wissensweitergabe auf gleicher Augenhöher

 

Ein bewährtes Mittel zur wissensbasierten Mitarbeiterentwicklung sind so genannte Führungskonferenzen. Hier treffen sich mehrere Führungskräfte regelmäßig, um Lösungen für aktuelle Führungsprobleme zu entwerfen. Der Vorteil solcher Konferenzen: Da die Teilnehmer in der Regel auf derselben Hierarchiestufe angesiedelt sind, kämpfen sie mit ähnlichen Problemen. Außerdem reden sie offener miteinander, da kein Vorgesetzter anwesend ist.

Doch diese Offenheit hat Grenzen – speziell dann, wenn die Probleme (auch) in der Persönlichkeit der jeweiligen Führungskraft wurzeln. Zum Beispiel darin, dass sie sich vor jeder Entscheidung mehrfach absichert, bevor sie sich zu einem Ja oder Nein durchringt. Oder darin, dass sich eine Führungskraft davor scheut, einem Mitarbeiter auch mal klar zu sagen: Sie erbringen die geforderte Leistung nicht. Solche Verhaltensmuster werden in Führungskonferenzen selten thematisiert. Schließlich gilt in den meisten Unternehmen das ungeschriebene Gesetz: Über technische oder organisatorische Probleme darf man im Kollegenkreis sprechen, über Probleme, die in der eigenen Person begründet sind, nicht.

Externe Coachings: An der Persönlichkeit feilen

 

 

 

Viele Unternehmen bieten ihren Führungskräften die Chance, sich mit (externen) Coachs zu treffen, um mit ihnen ihr Führungsverhalten zu analysieren. Solche Coachinggespräche sind sinnvoll, leider legen sie den Fokus aber oft einseitig auf die Person der Führungskraft. Eine Führungskraft ist im System Unternehmen jedoch stets in ein enges Geflecht von gewachsenen Strukturen und Beziehungen eingebunden, die ihre Handlungsmöglichkeiten und -optionen mitbestimmen. Sie hat zudem neben einer bestimmten Funktion auch konkrete Aufgaben in der Organisation. Losgelöst von diesen Faktoren kann das Verhalten einer Führungskraft nicht adäquat beurteilt werden.

Das übersehen manche Coachs. Sie psychologisieren häufig Fragen, deren Wurzeln eher fachlicher Natur sind. Zum Beispiel:

 

  • Kann ich meinem Bereich noch mehr Veränderungen zumuten oder würden diese ihn überfordern?
  • Soll ich in der aktuellen Marktsituation eher auf Expansion setzen oder das Erreichte sichern?

Einer Führungskraft, die vor einer solchen Entscheidung steht, hilft es wenig, wenn ein Coach mit ihr ermittelt: Sind Sie eher ein entscheidungsfreudiger oder ein zögerlicher Typ? Dies zu wissen, nützt der jungen Führungskraft wenig. Zumindest dann nicht, wenn ihre „Entscheidungsschwäche“ vor allem in ihrer geringen Führungserfahrung begründet ist.

 

 

 

Mentoring: Von erfahrenen Führungskräften lernen

In einer solchen Entscheidungssituation sollten sich die Nachwuchskräfte an einen erfahrenen Mentor wenden können, der bereits ähnliche Situationen durchlebt haben. Er sollte die Zwänge, denen eine Führungskraft unterliegt, einschätzen können. Und er sollte zudem wissen, dass eine Führungskraft stets mit unterschiedlichen Interessen und konkurrierenden Zielvorstellungen konfrontiert ist. Kurz: Der Unterstützer sollte selbst Führungskraft gewesen sein. Denn nur dann wird er in der Regel als Rat- und Impulsgeber, sprich Mentor, akzeptiert.

 

 

Ein Mentor muss aber noch weitere Bedingungen erfüllen: Er sollte zum Beispiel nicht der disziplinarische Vorgesetzte seines „Zöglings“ sein. Denn aufgrund ihrer geringen Erfahrung können junge Führungskräfte oft nicht einschätzen, ob ihre Entscheidungs- und Verhaltensunsicherheiten in ihrer Person oder in der Situation begründet sind. Deshalb schrecken sie davor zurück, sich ihren Vorgesetzten zu offenbaren. Schließlich entscheiden diese auch über ihr Ein- und Fortkommen. Aus diesem Grund arbeiten Mentoren in der Regel auch in anderen Unternehmensbereichen als die Nachwuchskraft, die sie betreuen.

Zuweilen übertragen Unternehmen die Mentorenfunktion aber auch externen Beratern. Das ist vor allem dann sinnvoll, wenn sich im eigenen Unternehmen kein Mitarbeiter findet, der sich als Mentor eignet. Denn ein guter Mentor muss noch wissen, dass auch er einmal ein blutiger Anfänger war. Er sollte sich darüber hinaus bewusst zurücknehmen können – und Entscheidungen nicht stellvertretend für seinen Zögling treffen. Seine Aufgabe ist es, bei der jungen Führungskraft Lernprozesse zu initiieren, zu steuern und zu begleiten. Nur so kann Young Professional das erforderliche Erfahrungswissen entwickeln und zu einer echten Führungspersönlichkeit heranreifen. Doch gerade das „Sich-Zurücknehmen“ fällt vielen erfahrenen Führungskräften schwer. Die Praxis zeigt: Gerade sehr erfolgreiche Manager sind oft schlechte Mentoren. Denn sie nehmen häufig vorschnell die Zügel in die Hand und ihre Zöglinge stehen staunend daneben und lauschen bewundernd ihren Worten. Das Resultat: Bei den jungen Führungskräften entsteht kein Wissenszuwuchs aufgrund eigener Erfahrung. Und sie werden eher entmutigt als ermutigt.

 

 

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

Human Leadership im 21. Jahrhundert – warum Konzepte zur Mitarbeiterführung überholt werden müssen

WISSENplus
Wir leben in einem Dienstleistungs- und Informationszeitalter, in dem eine zunehmende Anzahl von Menschen ihre Arbeitsleistung als Wissensarbeiter erbringt. Damit unterscheidet sich unsere Zeit wesentlich vom Industriezeitalter des vergangenen Jahrhunderts. Die letzten Jahrzehnte haben einen wesentlichen Strukturwandel mit sich gebracht, dem u. a. Stabilität und Planbarkeit sowie geradlinige Karrieren un...

Weiterlesen

Storytelling: Verstehen, was Sache ist!

WISSENplus
Es gibt sie überall: Geschichten über Unternehmensgründer, Erfindungen oder Krisenbewältigung. Jede Geschichte hat einen wahren Kern und wird individuell ausgeschmückt. Diese anekdotenhaften Schilderungen sind es oft wert erhalten zu bleiben. Somit können komplexe Vorgänge im Unternehmen oder seitenstarke Dokumente für die Belegschaft leicht verständlich zur Verfügung gestellt werden. Diese Method...

Weiterlesen

Talent Management - der Status Quo

WISSENplus
Wissen, Fachkenntnisse, Innovationsfähigkeit und hohe soziale Kompetenz, insbesondere bei Führungskräften, entwickeln sich zunehmend zu entscheidenden Wettbewerbsfaktoren für viele Unternehmen. Damit steigt der Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern. Gleichzeitig wird der Wettbewerb um diese Mitarbeiter, bedingt durch demografischen Wandel, Globalisierung der Arbeitsmärkte und individuelle Karriereplan...

Weiterlesen

Expatriates: Mentoring sichert den Wissenstransfer

WISSENplus
Der aktuelle Wirtschaftsprozess, der durch Internationalisierung und Globalisierung geprägt ist, in dem Märkte und Unternehmen rasant und ohne Grenzen wachsen, erfordert auch die erfolgreiche Entsendung von Mitarbeitern ins Ausland als unverzichtbare Komponente der Geschäftsstrategie. Die Praxis zeigt allerdings, dass Personalauswahlentscheidungen, die Vorbereitung auf den Auslandseinsatz und erst recht ...

Weiterlesen

Führung ist Kommunikation

WISSENplus
Warum kämpft Projektmanager Schmidt häufig mit dem gleichen Problem? Warum gehen sich die Teammitglieder Müller und Maier aus dem Weg? Solche Dinge, die auch die Persönlichkeit der Mitarbeiter berühren, zu thematisieren, fällt insbesondere Führungskräften mit einem eher technischen Background schwer. Analyseinstrumente wie das DiSG-Persönlichkeitsprofil können dies erleichtern....

Weiterlesen

Das Wissen im Wissensmanagement

Obwohl Wissen die zentrale Größe im Wissensmanagement ist, bleibt der Begriff in der Literatur vielfach unbestimmt: Wissen soll zur Lösung von Problemen eingesetzt werden, umfasst sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische Alltagsregeln, stützt sich auf Daten und Informationen und beinhaltet Erwartungen über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge. Unklar ist dabei, wie diese Bestandteile einer Wisse...

Weiterlesen

Fachkräftemangel: Den eigenen Talentpool entdecken

WISSENplus
Der Fachkräftemangel scheint derzeit wie ein Damoklesschwert über zahlreichen Unternehmen zu schweben. Gerade im Mittelstand bedeutet die Veränderung der Demografie eine enorme Herausforderung. Ausreichend neue qualifizierte Mitarbeiter zu finden, wird zum zeitaufwändigen Unterfangen, teueres Einkaufen externer Kräfte ist langfristig nicht wirtschaftlich. In diesem Dilemma scheinen Führungskräfte oft...

Weiterlesen

Unternehmen haben Nachholbedarf beim Umgang mit Wissen

Was macht Unternehmen erfolgreich? Die beiden wichtigsten Faktoren sind Mitarbeiter und Know-how – das hat eine Studie von Haufe zum „Produktiven Umgang mit Wissen in Unternehmen“ ergeben. mifm München – Institut für Marktforschung GmbH hat dafür 300 Geschäftsführer sowie Mitarbeiter mit und ohne Personalverantwortung befragt. Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, dass gerade die Ressource...

Weiterlesen