2010/11 | Fachbeitrag | Geschätsprozesse

Anpassungsfähig & vorausschauend – die Anforderungen an flexible Geschäftsprozesse

von Gary Calcott

Inhaltsübersicht:

 

Alles läuft im Unternehmen automatisch und fehlerfrei ab, das ist der Wunschtraum vieler. Die Realität sieht jedoch anders aus. Hier sind technische und fachliche Defekte keine Seltenheit. Zu den typischen technischen Fehlern zählen im IT-Umfeld der Ausfall einzelner Hardwarekomponenten, Netzwerkelemente oder Applikationen. Probleme gibt es auch dann, wenn eine Datenbanktransaktion aufgrund einer fehlerhaften Routine in der Applikation oder wegen inkonsistenter beziehungsweise fehlender Informationen scheitert. Bei gravierenden Fehlern steht die Applikation mit der zugehörigen Datenbank dann nicht mehr zur Verfügung. Vergleichbare Fälle gibt es im Produktionsumfeld, wenn in der Fertigung wichtige Komponenten von Zulieferern fehlen; dann kommt im schlimmsten Fall die Produktion vorübergehend zum Erliegen. Das kann natürlich auch passieren, wenn Fehler im Maschinenpark auftreten.

 

Transparenz herstellen – Fehlentwicklungen rechtzeitig erkennen

 

Läuft etwas nicht rund, müssen Fehlentwicklungen schnellstmöglich erkannt werden. Dazu bedarf es verschiedener Vorkehrungen. Einer der wichtigsten Punkte ist der vollständige Einblick in die laufenden Geschäftsprozesse. Diese Transparenz ist die Bedingung dafür, um kontrollieren zu können, ob die Prozesse planmäßig ablaufen oder es zu Abweichungen, Fehlern oder Unterbrechungen kommt. Treten derartige Ereignisse ein, müssen so schnell wie möglich Kurskorrekturen eingeleitet werden. Man spricht dabei auch von Responsive Process Management. Aus Sicht der IT betrachtet gehören dazu Funktionen für

  • Business Transaction Management bzw. Business Transaction Assurance,
  • Complex Event Processing bzw. Business Event Processing sowie
  • Business Process Management.

 

Wo eine direkte operative Reaktionsfähigkeit auf Ereignisse (Events) zählt, ist eine Datenverarbeitung und -analyse in Echtzeit erforderlich. (Quelle: Progress Software)


Wo eine direkte operative Reaktionsfähigkeit auf Ereignisse (Events) zählt, ist eine Datenverarbeitung und -analyse in Echtzeit erforderlich. (Quelle: Progress Software)

 

Daten interpretieren – Handlungsbedarfe ableiten

Das fachliche Ziel ist die operative Reaktionsfähigkeit, die einen Einblick in die aktuell ablaufenden Geschäftsprozesse und die auftretenden Business Events bedingt. Dazu kommt die Fähigkeit, reaktionsschnell die Auswirkungen von Events zu beurteilen: Welche Risiken bergen sie? Oder welche Geschäftschancen bringen sie für das Unternehmen? Der nächste Schritt besteht darin, aus den Business Events die richtigen Schlüsse zu ziehen und die Geschäftsprozesse anzupassen oder neu zu implementieren. Ein Logistikunternehmen etwa könnte seine laufenden Kosten als Folge einer ständigen Optimierung von Mitarbeitern, Lkws und Fracht senken. Voraussetzung dafür ist eine Korrelation der relevanten Daten und Business Events aus dem Depot sowie dem Transport- und Fahrzeugmanagement mit Verkehrs- und Umweltdaten von Sensoren, GIS/GPS-Geräten und RFID-Systemen.

 

Dadurch entsteht ein umfassendes Bild aller Prozesse, Transaktionen und Vorgänge von der fachlichen Ebene bis tief in die IT-Infrastruk¬tur. Die Aufgabe lautet, eine Architektur zu designen, die alle in unternehmenskritische Geschäftsprozesse involvierten Applikationen funktional integriert. Dazu werden die in verteilten, heterogenen Umgebungen residierenden Applikationen über Plug-ins mit einer zentralen Business-Transaction-Management- und -Assurance-Lösung verknüpft. Eine solche Lösung sollte so vorgehen, dass in verteilten, heterogenen Umgebungen auf den zu überwachenden Knoten Plug-ins installiert werden. Diese Plug-ins schaffen die Grundlage für die Transparenz von Business-Prozessen, indem sie auf den jeweiligen Systemen die ein- und ausgehenden Transaktion überwachen.

 

Im Bereich Business Transaction Management und Assurance werden die technischen Grundlagen für die fachlich orientierte kontinuierliche Optimierung der Geschäftsprozesse gelegt. Die technische Betrachtung der Vorgänge ist die Vorstufe. Erst durch eine Überwachung und Steuerung einzelner fachlicher Transaktionen ergibt sich eine End-to-End-Sicht auf Performance und Verfügbarkeit von Business-Transaktionen und damit letztlich von Geschäftsprozessen.

 

Ein Blick unter die Haube: Details der Complex-Event-Processing-Plattform Progress Apama. (Quelle: Progress Software)


Ein Blick unter die Haube: Details der Complex-Event-Processing-Plattform Progress Apama. (Quelle: Progress Software)

 

Muster erkennen – relevante Ereignisse in Echtzeit aufspüren

n einer Reihe von Branchen und Geschäftsprozessen reicht es heute nicht mehr, Probleme und Abweichungen vom automatisch und fehlerfrei ablaufenden „Idealzustand“ im Nachhinein festzustellen. Das Geschäftsleben besteht zunehmend aus Szenarien und Situationen, in denen eine schnelle Reaktionsfähigkeit gefragt ist, die wiederum eine Datenverarbeitung und -analyse in Echtzeit voraussetzt. Typische Einsatzszenarien finden sich bei Akteuren aus den Finanz- und Kapitalmärkten, aber auch zunehmend bei Unternehmen aus der Logistikbranche.

 

Die technische Grundlage der hier eingesetzten Anwendungen liefert eine Event Driven Architecture (EDA, Ereignis-gesteuerte Architektur). Sie zielen darauf ab, relevante Business Events in Datenströmen aus den unterschiedlichsten Quellen automatisch, systematisch und in Echtzeit zu erfassen, zu analysieren, miteinander in Beziehung zu setzen und die Ergebnisse zu bewerten. Die Kernaufgabe lautet, Muster in den Datenströmen zu erkennen und anhand vorher definierter Regeln bestimmte Aktionen daraus abzuleiten. Bei den Mustern in den zu analysierenden Datenströmen handelt es sich um komplexe temporäre, logische oder inhaltliche Beziehungen zwischen einzelnen Ereignissen. Das technologische Herzstück einer solchen Applikation liefert Complex Event Processing (CEP).

 

Ziel der Mustererkennung ist es, automatisch und angemessen auf das Eintreten oder auch Ausbleiben bestimmter Event-Kombinationen reagieren zu können. Dazu gehört etwa bei Auftreten eines Fehlers die sofortige Benachrichtigung eines Anwenders oder Administrators; aber auch die Unterbrechung der Auftragsabwicklung und die Änderung der Fahrtrouten von Lkws oder Schiffen, wenn sich beispielsweise die Wetterverhältnisse verschlechtern. Aus diesen Beispielen wird deutlich, dass Business Event Processing als Anwendungsfall von CEP in enger Beziehung zu anderen Themen wie der Visualisierung der Daten aus ereignisgesteuerten Informationssystemen in einem Dashboard, Message-orientierter Middleware zur Weiterleitung von Nachrichten, dem Netzwerkmanagement, der sensorgesteuerten Überwachung von Industrieanlagen und vor allem dem Business Process Management (BPM) steht.

 

Ein Beispiel für Abläufe in der Logistikbranche. Es gibt eine Vielzahl von Events, auf die in den Bereichen Business Transaction Management (BTM), Business Event Processing (BEP) und Business Process Management (BPM) reagiert werden muss. (Quelle: Progress Software)


Ein Beispiel für Abläufe in der Logistikbranche. Es gibt eine Vielzahl von Events, auf die in den Bereichen Business Transaction Management (BTM), Business Event Processing (BEP) und Business Process Management (BPM) reagiert werden muss. (Quelle: Progress Software)

 

Dynamische Optimierung von Geschäftsprozessen

Es klingt trivial, kann aber nicht oft genug wiederholt werden: Die große Mehrheit der Geschäftsprozesse unterliegen heute einem permanenten Wandel. Wichtig ist daher, wie schnell die Fachabteilungen und damit auch die für die Infrastruktur zuständige IT-Abteilung auf zusätzliche Anforderungen und Änderungen reagieren kann. Bereits bei der Einführung einer Lösung muss daher darauf geachtet werden, dass schon sehr bald die nächsten Anpassungen anstehen und dann auch möglichst rasch implementiert werden müssen.

 

Eine BPM-Lösung muss in diesem Zusammenhang eng mit den vorgelagerten Stufen von Business Transaction Management beziehungsweise Business Transaction Assurance sowie Business Event Management verzahnt sein und sie sollte die sieben wichtigsten unterschiedlichen BPM-Einsatzszenarien unterstützen: Event-zentriert, Sytem-zentriert, Dokumenten-zentriert, Mitarbeiter-zentriert, Projektmanagement, Case-Management und entscheidungszentriert. Wichtig ist, auch manuelle Eingriff in das Geschehen vorzusehen, denn nicht alle Fehler und Problemfälle lassen sich automatisch beheben. Auf dem besten Wege sind Unternehmen, in denen die technische Umsetzung und Begleitung von Geschäftsprozessen nicht mehr alleine Aufgabe der IT ist, sondern die Fachabteilungen zu jeder Zeit in die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse eingebunden sind und idealerweise diese Aufgabe übernehmen. Dazu benötigen sie die passenden Steuerungstools wie sie etwa Progress Control Tower als Benutzerschnittstelle der Responsive Process Management Suite bereitstellt.

 

Zunächst einmal laufen in diesem Überwachungs- und Steuerungswerkzeug die Meldungen zu Business Events zusammen, und machen auf Risiken und Probleme aufmerksam. Die Verantwortlichen sehen damit jederzeit, was aktuell in ihren Geschäftsprozessen geschieht und haben die Möglichkeit, sofort in laufende Prozesse steuernd einzugreifen. Der Control Tower enthält darüber hinaus ein individuell konfigurierbares Framework zur Definition und Überwachung von Key Performance Indicators (KPIs) und anderen wichtigen Business-Informationen. Mit einer leistungsfähigen Modellierungsumgebung lassen sich rasch neue Geschäftsprozesse erzeugen, überwachen, steuern und dynamisch anpassen. Und damit schließt sich der Kreislauf von der technischen Überwachung der Geschäftsprozesse über die Erfassung und Auswertung kritischer Business Events bis zur direkten und schnellen Anpassung von Geschäftsprozessen. Unternehmen nähern sich damit der Vorstellung dynamisch anpassbarer Applikationen.

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