2019/1 | Fachbeitrag | Work-Life-Balance
Achtsamer Umgang mit modernen Technologien: Wie wir in Zeiten der Digitalisierung unser Glück bewahren
Inhaltsübersicht:
- WLAN als Maslow’sches Grundbedürfnis?
- Ist unser Leben aus dem Takt gekommen?
- Glück = Verbundenheit
- Digital Detox bringt Entschleunigung
- Künstliche Intelligenz als Konkurrenz?
- Zehn Minuten Glück
Das Smartphone hat sich in unseren Lebensrhythmus eingefügt und ist zu einem ständigen Begleiter geworden, der nicht mehr wegzudenken ist. Aber was passiert mit unserem biologischen Rhythmus, wenn wir uns der digitalen Welt immer mehr anpassen? Was brauchen wir Menschen, um mit unserer eigenen Geschwindigkeit im digitalen Zeitalter zu (über-)leben?
WLAN als Maslow’sches Grundbedürfnis?
Wir alle haben menschliche Grundbedürfnisse, wie sie in der Maslow’schen Bedürfnispyramide dargestellt werden. Während ursprünglich die physiologischen Bedürfnisse wie Luft zum Atmen, Wasser zur Hydration und Nahrung als Energielieferant für unseren Organismus an erster Stelle standen, gibt es seit der Digitalisierung unserer Gesellschaft ein neues Grundbedürfnis: WLAN. Der unbegrenzte Zugang zur digitalen Welt und somit zu unbegrenzten Informationen ist für uns nicht mehr wegzudenken. Das bringt einerseits immense Vorteile mit sich, erleichtert unseren (Arbeits-)Alltag und ermöglicht eine globale Zusammenarbeit, die vorher nicht denkbar war.
Auf der anderen Seite führt die unendliche Informationsflut, die Dauererreichbarkeit und unausgesprochene Erwartungshaltung an sofortiges Reagieren privaten wie beruflichen Bereich zu einer neuen Art der Überforderung. Und wenn man einen stressigen Tag hat und von A nach B hetzt, verspannen die Schultern, der Herzschlag steigt an und man atmet kaum noch. Das Gehirn ist nonstop damit beschäftigt, Informationen zu filtern, zu kategorisieren und zu priorisieren. Wir haben ständig das Gefühl, dass wir keine Zeit haben und etwas verpassen.
Ist unser Leben aus dem Takt gekommen?
Dabei ist das eine Illusion, sagt der Glücksexperte Dr. Ha Vinh Tho, ehemaliger Programmdirektor des Gross National Happiness Centres aus Bhutan: „Wir leben in einem atemlosen Zeitgefühl. Und es ist ja so, dass wir genau die Zeit haben, die wir brauchen, um unser Leben und unser Schicksal zu erfüllen. Keine Sekunde mehr, keine Sekunde weniger. Keine Zeit haben ist eine Illusion. Es ist ein Gefühl, was daraus entsteht, dass unsere Lebensrhythmen nicht mehr in Harmonie sind mit unseren biologischen Rhythmen und mit den natürlichen Rhythmen. Deswegen ist es zum Beispiel so wichtig, Achtsamkeit zu üben, um sich wieder seines Atems bewusst zu werden. Denn das ist unser Grundrhythmus: Herzschlag und Atem.“
Was wir alle in unserem stressigen Alltag vergessen, ist das bewusste Ein- und Ausatmen. Das Wichtigste, was wir zum Überleben brauchen ist schließlich Sauerstoff. Denn mit einem Atemzug kommen wir auf die Welt und mit unserem letzten Atemzug verabschieden wir uns auch wieder. Und besonders klare Luft zum Atmen tut uns gut, nicht umsonst entwickeln sich Trends wie Waldbaden, weil uns das Atmen in der Natur viel leichter fällt, als in stickigen Büroräumen. Wenn uns also manchmal die Technologie dazu verleitet, unseren Atem zu vergessen, dann hilft Abschalten. Im wahrsten Sinne des Wortes. Einfach mal das Smartphone weglegen und durch Digital Detox wieder zur Ruhe finden, um die eigenen Akkus aufzutanken.
Glück = Verbundenheit
Wir verbringen Zeit am Handy mit Nachrichten an Menschen, die nicht da sind, während wir bei den realen Treffen mit anderen nicht anwesend sind, sondern in unserem Handy. Wie können wir uns wieder mehr miteinander verbinden? Auf Augenhöhe, im echten Leben, achtsam und nachhaltig? Nach meiner persönlichen Glücksdefinition heißt Glück Verbundenheit. Mit sich selbst, seinen Mitmenschen und der Umwelt verbunden zu sein bedeutet Selbstfürsorge, Gemeinschaft und Achtsamkeit – das sind wichtige Bausteine für das Glück.
Es ist so wichtig, bewusste Grenzen zu setzen und (Selbst-)Verantwortung für sich zu übernehmen, als Führungsposition für die Mitarbeiter und als Elternteil für die Kinder – und natürlich auch ganz für sich selbst im eigenen Umgang mit Medien. Das kann zum Beispiel mit Hilfe von bestimmten Apps geschehen, die einem erschreckend aufzeigen, wie viel Zeit man während des Tages am Smartphone und in den Apps verbracht hat. Alleine dieses Wissen und Bewusstsein regt stark zum Nachdenken an und lässt einen das nächste Mal zögerlicher zum Handy greifen. Zudem ist es wichtig, dass wir uns gegenseitig ein wenig „erziehen“, indem wir vom Gegenüber keine unmittelbare Reaktion erwarten, das Thema ansprechen und schlichtweg selbst ein positives und motivierendes Vorbild sind und die Geräte demonstrativ beiseitelegen oder abschalten.
Digital Detox bringt Entschleunigung
Wie wäre es also nach Feierabend und am Wochenende nicht noch schnell einen arbeitsbedingten Anruf zu tätigen oder eine Mail zu schreiben? Denn dadurch erzeugt man unbewusst eine Erwartungshaltung an die ständige Erreichbarkeit und das setzt einen selbst und andere schlichtweg unter Druck. Kaum zu fassen: Wie eine aktuelle Studie zeigt, berühren wir sogar 2.617-mal am Tag unser Smartphone (Winnick, 2016). Viel lieber sollten wir nach Feierabend zu Hause ankommen, mit all unseren Sinnen und unserer vollen Aufmerksamkeit. Wann habt ihr das letzte Mal eurem Gegenüber wirklich in die Augen geschaut? Und wie oft am Tag umarmt man seine Mitmenschen?
Wir brauchen alle mehr Umarmungen. Denn Berührungen sind heilsam. Sie spenden Wärme und Nähe, weil beim Körperkontakt das Wohlfühlhormon Oxytocin ausgeschüttet wird, das vor allem bei der Geburt die Bindung zwischen Mutter und Kind stärkt. Aber nicht nur das, auch Serotonin und Dopamin – die Glückshormone – werden bei liebevollen Berührungen wie Streicheln oder Umarmungen freigesetzt. Und die bewusste Wahrnehmung gilt nicht nur für vertraute Menschen. Das mag in unserer Gesellschaft und Kultur nicht an der Tagesordnung sein und auch nicht heißen, dass wir uns nun alle ständig in die Arme fallen müssen, aber wer ein klein wenig entschleunigt und wahrnimmt, was in einem und um einen herum geschieht, der kann die tollsten Begegnungen erfahren und selbst initiieren. Und so können wir uns einfach viel öfter gegenseitig im Herzen berühren und erwärmen anstatt die kühlen Displays dieser Welt zu streicheln.
Künstliche Intelligenz als Konkurrenz?
Während die Künstliche Intelligenz unsere kognitiven Kapazitäten längst überholt hat, sollten wir uns wieder mehr an unseren menschlichen Stärken orientieren. Dazu gehört, uns selbst, unsere Gefühle und Bedürfnisse, Schwächen und Talente besser kennen zu lernen und uns auf die Reise zu uns selbst zu machen. Diese Fähigkeiten gilt es dann zu kombinieren mit unseren Mitmenschen, weil wir als Team so viel mehr erreichen können, als alleine. Miteinander statt gegeneinander. Kooperation statt Konkurrenz. Vom Ich zum Wir. Darin liegt unsere Einzigartigkeit, die Vielfalt der individuellen Stärken zusammenzubringen und gemeinsam als großes Ganzes in die Handlung zu kommen.
Das machte auch Alibaba-Gründer Jack Ma eindrucksvoll beim World Intelligence Congress 2018 deutlich: Unsere Kinder könnten den Kampf gegen die Maschinen verlieren, da Roboter bis 2030 ca. 800 Millionen Jobs übernehmen werden. Wir müssen sie für die Ära der künstlichen Intelligenz besser ausrüsten und deshalb sollten wir laut ihm mit der Bildung beginnen: „Ändern wir nicht, wie wir unterrichten, dann haben wir in 30 Jahren große Probleme. Die Art, wie wir lehren, die Dinge, die wir unseren Kindern beibringen, sie stammen aus den letzten 200 Jahren. Sie basieren auf Wissen. Wir können unseren Kindern nicht beibringen, mit Maschinen zu konkurrieren. Maschinen sind schlauer. Kinder sollten etwas Einzigartiges lernen. Dann können Maschinen sie nicht einholen.“ (Tagesschau, Januar 2018) Diese Dinge sollten also im Vordergrund stehen: Werte, Überzeugung, unabhängiges Denken, Teamwork und Mitgefühl! Das gilt natürlich auch für unsere persönliche Weiterentwicklung und die unserer Mitarbeiter.
Zehn Minuten Glück
Wir können gemeinsam eine offene und positive Gesellschaft erschaffen, indem wir achtsam durch unser Leben gehen und unsere Mitmenschen bewusst wahrnehmen. Indem wir wieder weniger auf unser Handy schauen und dafür mehr in die Augen unserer Mitmenschen. Durch Berührungen, ob von der Hand unseres Nächsten oder des Herzens durch unsere Worte. Und jede noch so kleine gute Tat hinterlässt schon ihre Spuren. Denn die Person, die du mit einer freundlichen Geste glücklich gemacht hast, steckt vielleicht schon die nächste Person mit dem Glück an. Zusammen mit Gleichgesinnten, die sich für eine nachhaltige Gesellschaft einsetzen, kann es uns gelingen, wirklich etwas zu bewirken und anzupacken. Denn es reicht nicht, nur über die tollen Ideen zu reden. Vielmehr geht es darum, einfach anzufangen und den ersten Schritt zu gehen.
Und der erste Schritt kann schon mit den ersten zehn Minuten des Tages beginnen. So wie man mit dem richtigen Fuß aufstehen kann. Statt morgens direkt zum Smartphone zu greifen, heißt das, erstmal bei sich selbst einzuchecken. Durchzuatmen. Sich in Dankbarkeit zu üben für die vielen Möglichkeiten, die der Tag bietet, und die Menschen, die einen umgeben. Wir können uns selbst zehn Minuten schenken, um unsere innere Welt zu beobachten, unsere Gedanken und Gefühle wahrzunehmen und so proaktiv in den Tag zu starten. Und damit auch den Fokus im Alltag bewusst auf die kleinen zwischenmenschlichen Glücksmomente richten zu können, in dem wir achtsamer sind und unseren menschlichen Bedürfnissen nachgehen.