Zukunftsstudie: Digitale Technologien erfüllen Nutzerwünsche nur teilweise

Mehr soziale Vernetzung und höhere Sicherheit – das erwarten die User von der IT. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse der Zukunftsstudie zur Entwicklung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) sowie Medien, die der MÜNCHNER KREIS gemeinsam mit seinen Partnern nun bereits zum fünften Mal veröffentlicht hat. Dabei wird deutlich, dass die Befragten bereits sehr genaue Vorstellungen von den Möglichkeiten digitaler Technologien und Anwendungen haben. Erkennbar wurden aber auch offensichtliche Lücken zwischen der Ideallösung aus Anwenderperspektive und dem derzeitigen Angebot, denn aus Nutzersicht kann die aktuelle Technologie die zukünftigen Bedürfnisse und Erwartungen nur teilweise erfüllen. Die in der Studie erkannten Wünsche reichen dabei von einer besseren Erfüllung von eher alltäglichen Anforderungen in den Bereichen Arbeit, Mobilität, Medien und E-Government bis hin zu stärker zukunftsgewandten Anwenderszenarien, die deutliche Potenziale für die technologische Neu- und Weiterentwicklung aufzeigen. Mit 7.278 Befragten aus Deutschland, USA, Brasilien, China, Südkorea sowie Indien vermittelt die Studie über nationale Grenzen hinweg einen tiefgehenden und einzigartigen Blick auf die Wünsche und Anforderungen der Menschen an die digitale globalisierte Welt.

In den vier Themenfeldern Arbeit, Mobilität, Medien und Verwaltung konnten die Befragten angeben, wie gut typische Situationen mit aktuell verfügbaren IKT-basierten Instrumenten, Systemen und Geräten bewältigt werden können, und welchen Nutzen ihre gewünschte Ideallösung für solch eine Situation aufweisen müsste. Nicht nur innerhalb der vier Themenfelder, sondern auch im internationalen Vergleich gab es dabei unterschiedliche Ergebnisse hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der derzeit vorhandenen Lösungen im Abgleich mit der geäußerten Idealvorstellung. Daraus wurden konkrete Anforderungen sichtbar, die als Grundlage für die technologische Weiterentwicklung von Geräten, Software und Diensten herangezogen werden können.

Die Studie identifiziert wichtige Bedürfnismuster einer zukünftigen Arbeitswelt. So wünschen sich über alle Länder, Kulturen und Altersgruppen hinweg 22 Prozent der Befragten einen immer und überall verfügbaren Zugang zu den Arbeitsmitteln sowie deren intuitive und personalisierte Nutzbarkeit. 21 Prozent möchten ihre beruflichen Erfahrungen stärker persönlich austauschen und wünschen sich bessere Möglichkeiten der Mitgestaltung. Auch das stressfreie Arbeiten lässt sich als großes Bedürfnis eindeutig identifizieren. Prof. Arnold Picot, Vorstandsvorsitzender des MÜNCHNER KREIS, sieht dabei mit Blick auf die Vermittlung von Medienkompetenz großes Potenzial: „Besonders im Hinblick auf die Auswahl und den Kontext des Einsatzes digitaler Arbeitsmittel gibt es noch viele Möglichkeiten zur Förderung und Optimierung. Für ein selbstverantwortliches, sicheres und effizientes Arbeiten könnte das zahlreiche positive Effekte haben.“ Doch die Befragten sehen auch auf technischer Seite Gestaltungspotenzial bei den Arbeitsmitteln. Aus Sicht der Nutzer sind viele Arbeitsmittel und Prozesse noch nicht so gestaltet, dass mit ihnen die gewünschte Work-Life-Balance möglich wäre.

International stechen einige Gegensätze deutlich heraus: In Deutschland wünschen sich nur 26 Prozent der Befragten eine zukünftig stärkere Trennung zwischen Berufs- und Privatleben, während dies in Indien fast doppelt so viele Menschen tun (49 Prozent). Mehr als jeder dritte Inder (38 Prozent) wünscht sich einen beruflichen Neustart, während es in Deutschland nur 22 Prozent sind. Doch die Zufriedenheit mit dem eigenen Beruf deckt sich nicht unbedingt mit der zur Arbeitsstelle: 55 Prozent der Deutschen haben schon mindestens einen Jobwechsel hinter sich.

Die sichere Mediennutzung ist den Nutzern besonders wichtig. Denn über alle Bevölkerungsgruppen hinweg ist bei den Befragten eine große Unsicherheit hinsichtlich eines möglichen Datenmissbrauchs zu erkennen. Gleichzeitig wird allerdings auch deutlich, dass die zukünftige Mediennutzung nicht nur intelligent und selbstbestimmt sein soll, sondern die Nutzer sich auch einen ortsunabhängigen Zugang, individuell relevante Informationen und interaktive Kommunikationsmöglichkeiten wünschen. Dr. Bernhard Engel, Medienreferent ZDF Medienforschung, dazu: „Technologische Innovationen, hochwertige Medieninhalte und immer häufiger auch die Berücksichtigung verschiedener Lifestyles machen neue Angebote erfolgreich. Doch die klassische Trennung zwischen Medien und Kommunikation löst sich immer weiter auf. Dies ermöglicht maßgeschneiderte, individualisierte Angebote, die allerdings gleichzeitig das Thema Datenschutz nicht außer Acht lassen dürfen.“ In Konsequenz bedeutet dies nicht nur, geeignete Infrastrukturen bereitzustellen, sowie die Neu- und Weiterentwicklung intelligenter Medien und deren Anwendungen zu forcieren, sondern es zeigt sich auch hier die Notwendigkeit, die Medienkompetenz und die Urteilsfähigkeit in Bezug auf Inhalte und ihre Quellen stärker zu fördern.

Einfache, schnelle und vor allem vertrauenswürdige Kommunikation zwischen Bürger und Staat stehen auf der Wunschliste der Befragten beim Thema Verwaltung der Zukunft ganz oben, auch wenn es hier zum Teil deutliche länder- und altersgruppenübergreifend zum Teil deutliche Unterschiede gibt. Hauptsächlich mehr Kundenfreundlichkeit und eine einfachere Zugangsart zu den Diensten, beispielsweise zu virtuellen Rathäusern, sind dabei von Bedeutung.

Allgemein erwarten die Bürger zunehmend, dass die aus dem Privat- und Berufsleben bekannten Gestaltungs- und Interaktionsmöglichkeiten auch in der Kommunikation mit den Behörden zur Verfügung stehen. Dafür sind neben strukturellen Veränderungen auch neue, innovative Serviceleistungen notwendig, die den Bürger von den Möglichkeiten der direkten Kommunikation mit dem Staat überzeugen, und ihn dazu einladen, diese Dienste häufiger zu nutzen. Dabei zeigen sich die Deutschen hinsichtlich der Technik noch von einer eher konservativen Seite. So können sich hierzulande beispielsweise nur 16 Prozent vorstellen, Ausweisdokumente zukünftig auf dem Smartphone zu haben, während in China (65 Prozent der Befragten) und besonders in Indien (73 Prozent) eine deutlich andere Meinung dazu herrscht.

Über alle vier Bereiche hinweg wurden bei der Befragung einige bedeutende Unterschiede relevanter Querschnittsthemen erkennbar. Besonders wichtig ist den Nutzern das Thema „Sicherheit und Datenschutz“, das sich in unterschiedlichen Kontexten und verschiedenen Ausprägungen überdeutlich zeigt. Ähnlich bedeutend ist das Thema „Benutzerfreundlichkeit“, das nicht nur in Bezug auf intuitiv bedienbare, intelligente Arbeitsmittel und Medien herausgestellt wurde, sondern sich auch im Wunsch nach unkomplizierten Mobilitätslösungen sowie einfachen Verwaltungsprozessen ausdrückte. Beim Thema „Zahlungsbereitschaft“ ist den Befragten besonders Kostentransparenz wichtig. Und mit dem Querschnittsthema „Privatsphäre und Selbstbestimmung“ kristallisierte sich ein Kernbedürfnis der Menschen heraus, das im Studienkontext im Zusammenhang mit der Gestaltung des Arbeitsalltags, dem Wunsch nach einer flexiblen Mobilitätslösung und individuellen Medieninhalten genannt wird. Mit dem Thema „Vernetzung“ wird zusätzlich deutlich, dass Soziale Netzwerke immer häufiger unseren Arbeitsalltag in unterschiedlichen Bereichen begleiten werden. Nicht zuletzt hat sich gezeigt, dass das Thema „Nachhaltigkeit“ über alle Themenfelder hinweg für die Befragten eine immer größere Rolle spielt.

Robert A. Wieland, Geschäftsführer der TNS Infratest GmbH, zieht dabei aus den Ergebnissen folgendes Fazit: „Die Zukunftsstudie zeigt, dass sich das Verständnis von Arbeit, Mobilität, Medien und Verwaltung weltweit teilweise drastisch wandelt. Der Nutzer hat neue Erwartungen an Angebote und Lösungen aus den Informations-, Telekommunikations- und Medienbranchen, die von den Anbietern aufgegriffen werden sollten.“ Denn zukünftig lösen sich Unternehmensgrenzen und Wertschöpfungsketten zusehends auf und Kompetenzen finden sich in neuen Kooperationsmustern sowie Partnerschaften wieder. Nutzer entwickeln sich zunehmend zu aktiven Mitgestaltern von Problemlösungs- und Wertschöpfungsprozessen. Die Zukunftsstudie gibt wichtige Impulse für Politik und Wirtschaft. Ihre Ergebnisse werden, wie in den vorhergehenden Jahren, auch 2013 in den IT-Gipfel der Bundesregierung einfließen.

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