Über das Können und Wollen in Changemanagement-Prozessen

Glaubt man den Makroökonomen, so wird kompetentes Changemanagement in vielen Branchen bald zum festen Bestandteil der Firmenkultur gehören müssen. Denn bedingt durch Engpässe am Arbeitsmarkt, die weiter zunehmende Globalisierung der Wirtschaft und starke Technologietrends (Digitalisierung, Industrie 4.0) werden die Unternehmen gezwungen sein, sich immer häufiger strukturell anzupassen. Ob die damit einhergehenden Veränderungen Früchte tragen oder im Chaos enden, hängt wesentlich davon ab, wie es Führungskräften gelingt, ihre Mitarbeiter bei der unabdingbaren Einstimmung auf den Wandel emotional zu mitzunehmen. Im Interview nennt die Spezialistin für Personal- und Organisationsentwicklung Susanne Neeb wichtige Faktoren für erfolgreiches Changemanagement.

Frau Neeb, täuscht der Eindruck oder scheitern tatsächlich die meisten Veränderungsprozesse in den Unternehmen?

Neeb: Von Scheitern würde ich nicht sprechen, das ist mir zu dramatisch. Aber es ist schon so, dass manche Veränderungsprozesse mehr verbrannte Erde hinterlassen als reiche Ernte einfahren. Der Weg ist oft viel qualvoller und dauert länger als es sein müsste.

Woran liegt das denn?

Neeb: Wenn es um die Einführung neuer Fertigungsanlagen oder die Entwicklung innovativer Produkte geht, sind hierzulande viele Firmen erstklassig aufgestellt. Dafür haben sie über Jahre die geeigneten Strukturen aufgebaut, das technische Knowhow erworben und die richtigen Mitarbeiter ausgebildet. Doch bei der Initiierung von Veränderungen verharren Unternehmen häufig in einem veralteten Mitarbeiterbild. Weiterhin glauben viele Führungskräfte, ihrer Belegschaft die Notwendigkeit für Veränderungen haarklein darlegen zu müssen. Dabei ist es viel zielführender, Mitarbeiter zu emotionalisieren, sie im Veränderungsprozess mitzunehmen und ihnen zu ermöglichen, ihre eigenen Schlüsse zu ziehen.

Können Sie diesen Aspekt noch etwas konkretisieren?

Neeb: Dieses Land hatte noch nie eine so gebildete und gut ausgebildete Arbeitnehmerschaft wie heute. Führungskräfte müssen sich daher von der traditionellen Vorstellung lösen, omnipotentes Vorbild sein zu müssen. Ein moderner Unternehmer darf heute zugeben, dass er nicht alles kann und weiß, was zur erfolgreichen Umsetzung komplexer Veränderungsprozesse nötig ist. Viel relevanter ist, dass er seinen Willen und seine Bereitschaft zum Wandel offenlegt und zu erkennen gibt, dass er das Knowhow seiner Mitarbeiter für die Veränderungsprozesse benötigt.

Da dürfte sich für manchen Unternehmer aber die Frage stellen, wie er das kommunizieren soll...
Neeb: ...richtig, und damit sind wir auch schon bei einem ganz entscheidenden Faktor für erfolgreiches Changemanagement – einer wirkungsvollen Kommunikation. Mit einer paternalistischen Grundeinstellung vom Typ „Wenn Veränderungen anstehen, haben sich alle danach zu richten" kommt man heute nicht mehr weit. Wer es ernst meint mit dem Changemanagement muss seine Leute auf gleicher Augenhöhe ansprechen, als mündige Mitspieler betrachten und ihre Widerstände und Einwände ernst nehmen.

Was aber bedeutet das jetzt ganz konkret für die Führungskräfte?

Neeb: Das bedeutet zunächst, dass sie ihren Mitarbeitern die Gründe für den nötigen Wandel und die Zielsetzungen der anstehenden Maßnahmen offenlegen müssen. Außerdem ist es wichtig, die Mitarbeiter für einen Dialog über die Sinnhaftigkeit des Wandels und den Umgang damit zu gewinnen. Wichtig dabei: Geduld und Engagement – und aufmerksames Hinhören. Vor allem in der frühen Phase von Veränderungsprozessen. Führungskräfte, die sich hier die Zeit nehmen, die Sorgen, Zweifel und Ängste anzuhören und zu besprechen, kommen schneller zu Ziel! Wer nicht die Geduld aufbringt, mit seinen Leuten schon zu Beginn der Veränderungsprozesse zu reden und sie einzubinden, stößt später auf enorme Widerstände, die ungleich mehr Energie und Zeit verschlingen.

Wie stimmen Sie denn Ihre Programme zum Changemanagement auf diese Problematik ab?

Neeb: Ein wichtiger Teil unserer Arbeit besteht darin, in Workshops die Sinnhaftigkeit des anstehenden Wandels sichtbar zu machen. Dazu gehört es auch zu verdeutlichen, welchen Nutzen die betroffenen Mitarbeiter davon haben. Wir schaffen Raum für einen unbefangenen Dialog, in dem wir die Vorgeschichten und eventuell überholten Sichtweisen oder Begründungen, die gegen Veränderungen sprechen, in Frage stellen und den Perspektivwechsel anregen können. Weitere Aspekte sind die Vermittlung von Zielbildern und die Stärkung der Selbstmotivation. Recht schnell kristallisiert sich dabei heraus, welche Mitarbeiter besonders interessiert und begeisterungsfähig sind. Unserem partizipativen Ansatz folgend, entwickeln wir diese Personen im weiteren Verlauf dann zu unseren Multiplikatoren des Wandels.

Welche Rolle spielen in diesem Szenario denn die Führungskräfte?

Neeb: Sie sind in erster Linie an der Erstellung der Zielbilder beteiligt und daran, den Veränderungsprozess in faktisch realisierbaren und kommunizierbaren Etappen zu kanalisieren. Dieser Kopfarbeit ausreichend Zeit zu geben ist eine gute Investition. Ein zweiter Schritt ist die Entwicklung eines Monitoringsystems, das die Veränderungsprozesse im Sinne einer Qualitätssicherung begleitet und auch die Möglichkeit des kritischen Rückblickens bietet. Der dritte und – wie bereits erwähnt – zugleich schwierigste Schritt ist das, was wir in unseren Projekten als das „Management der Emotionen" bezeichnen. Der vierte Faktor besteht dann aus einem Bündel konsequent an den Unternehmenszielen ausgerichteten Workshop- und Trainingsmaßnahmen die den Wandel zielführend begleiten. Zum Beispiel: Qualifizierung von Multiplikatoren, Emotionen-Management und Projektmanagement.

Wie dürfen wir uns denn das „Management der Emotionen" konkret vorstellen?

Neeb: In den meisten Fällen zeigen sich Ängste und Sorgen ja nicht direkt, sondern wirken als diffuser Widerstand, tiefes Misstrauen oder schweigende Ablehnung. Viele Mitarbeiter können das gar nicht eindeutig benennen. Die Emotionen konkret herauszuarbeiten und einzuordnen ist daher gerade in der Anfangsphase ein Dreh- und Angelpunkt unserer Arbeit. Viele Bedenken lösen sich im Laufe dieses Prozesses auf und verlieren ihre Bremskraft. Zum Teil lassen sie sich auch umdeuten und positiv kanalisieren. Besonders hartnäckige Widerstände werden aktiv in den laufenden Prozess mit eingebunden. Indem wir Erkenntnisse der modernen Hirnforschung anwenden, gelingt es uns, die den Widerständen innewohnende Beharrungsenergie durch Bewusstmachung in kreativ wirkende Vorwärtskräfte umzuleiten.

Das klingt nach viel Psychologie und ein bisschen Zauberei...

Neeb: ... Zauberei definitiv nicht! Das meiste ist einfach „gesunder Menschenverstand" und die psychologischen Aspekte unserer Arbeit meiner Meinung nach Teil davon. Vor allem geht es dabei um Kommunikation und Interpretation. Letztlich ist es keine Frage: Die Mitarbeiter haben in der Regel keine Wahl; wollen sie ihren Job behalten, müssen sie die Veränderungen mitgehen. Werden ihre Sorgen aber ernst genommen und bindet man sie aktiv in die neue Entwicklung mit ein, so empfinden das die meisten Menschen als motivierend und stärkend. Das wiederum wünschen sich Führungskräfte, denn auch sie haben keine Wahl: Nur eine positiv gestimmte und aktive Belegschaft kann Veränderungsprozesse schnell, sinnvoll und verlässlich in die Tat umsetzen. Letztlich sind es immer die Menschen, die den Wandel vollziehen – nicht Methoden, Maschinen oder Technologien.

Und welche Schlussbotschaft würden Sie unseren Lesern gerne mit auf den Weg geben?

Neeb: Wenn alle sich für einen gemeinsamen Weg begeistern oder zumindest ihn mitgehen, entsteht ein großer Mehrwert: die Arbeit wird interessanter, die Zukunft des Unternehmens wird gesichert und die Menschen werden immer veränderungsfähiger.

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