Lernen am Arbeitsplatz: Fast jeder Zweite unter Druck

Ein Großteil der Beschäftigten in Deutschland glaubt, dass Lernen am Arbeitsplatz künftig an Stellenwert gewinnen wird. Fast jeden Zweiten setzt diese Perspektive sehr häufig bis gelegentlich unter Druck. Dies zeigt eine bundesweite Umfrage unter 1.005 Erwerbstätigen im Rahmen der Studie „Schöne neue Lernwelt? Berufliche Weiterbildung im Wandel“ der Deutschen Universität für Weiterbildung (DUW): 74 Prozent der Befragten rechnen damit, dass Weiterbildung in ihrem Beruf in zehn Jahren wichtiger sein wird als heute. Mehr als jeder Zehnte (11 Prozent) fühlt sich sehr häufig oder häufig überfordert, weil sein Arbeitgeber von ihm erwartet, sich auf dem neuesten Stand zu halten. Gelegentlich überfordert sieht sich mehr als jeder Dritte (34 Prozent).

„Lernen ist zu einer stetigen Herausforderung geworden – sowohl im Arbeits- als auch im Privatleben. Technologien wandeln sich in immer kürzeren Abständen. Wissen ist überall und jederzeit abrufbar, veraltet aber auch schneller als früher“, sagt Prof. Dr. Ada Pellert, Präsidentin der DUW. „Die Überforderung vieler Menschen rührt häufig aus dieser Beschleunigung, verknüpft mit steigenden Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt. Arbeitgeber sollten ihre Mitarbeiter mit dieser Entwicklung nicht allein lassen. Gefragt sind gezielte Weiterbildungsmaßnahmen, die dem Einzelnen helfen, in der neuen Arbeitswelt zurechtzukommen. In dieser Ausrichtung ist Weiterbildung auch eine Antwort auf die gestiegene Zahl von Burn-out-Fällen.“

Grundsätzlich haben die meisten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen die Bedeutung vom Lernen am Arbeitsplatz erkannt: Mehr als die Hälfte (56 Prozent) sagt, dass Weiterbildung im derzeitigen Beruf zwingend erforderlich sei. Weitere 32 Prozent halten Weiterbildung für hilfreich. Je höher der Bildungsabschluss ist, desto größer der Stellenwert von Weiterbildung: 66 Prozent der Befragten mit Abitur oder Studium halten Weiterbildung für zwingend erforderlich, bei den Berufstätigen mit Hauptschul- oder mittlerem Abschluss sind es hingegen nur jeweils 44 Prozent. „Früher war es möglich, ausgelernt zu haben. Der Handwerker wusste durch die Lehre alles, was er für sein Berufsleben brauchte“, sagt Dr. Katrin Hille, Psychologin und Forschungsleiterin am Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen (ZNL) und eine der Expertinnen und Experten, die die DUW in ihrer Studie befragt hat. „Das hat sich gründlich geändert: Heute ist es unerlässlich, immer wieder neu zu lernen, um noch gute Arbeit leisten zu können.“

Geteilte Verantwortung – doppelte Lernfreude Die meisten Expertinnen und Experten sehen sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer in der Verantwortung, wenn es um betriebliche Weiterbildung geht. Damit stimmen sie mit den Befragten aus der DUW-Umfrage überein: 71 Prozent fordern bessere Lern- und Weiterbildungsangebote von den Arbeitgebern. Darunter fallen zum Beispiel mehr Angebote, aktuellere Inhalte und eine Übernahme der Kosten. Aber immerhin 60 Prozent sehen sich auch selbst in der Verantwortung und glauben, dass von ihnen als Arbeitnehmer zukünftig mehr Eigeninitiative gefragt sein wird.

Neben formalen Weiterbildungsmaßnahmen wie Zertifikate und Studiengänge kommt dem informellen Lernen am Arbeitsplatz eine wachsende Bedeutung zu: „Gespräche am Arbeitsplatz, Anleitungen durch Kollegen, Selbstlernangebote und Chaträume im Internet – wir lernen ständig, häufig ganz nebenbei. Nur ist diese Form des Lernens bislang nicht offiziell anerkannt“, sagt Peter Dehnbostel, Professor für Betriebliches Bildungsmanagement an der DUW. Arbeitgeber sollten informelles Lernen als wirksame Hilfe gegen das Gefühl der Überforderung fördern und ihm den notwendigen Raum im Berufsalltag geben. Kombiniert mit formalen Lernangeboten, die auf die individuellen Lebensphasen der Mitarbeiter angepasst sind, ergibt sich so eine konkrete Begleitung des Lebenslangen Lernens in und bei der Arbeit.

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