Früher war alles anders? Wie Unternehmen heute funktionieren

Neben traditionell geführten Betrieben sind in den vergangenen rund zwanzig Jahren neue Organisationsformen entstanden, die vor allem durch die Entwicklungen in der Informationstechnologie vorangetrieben wurden. Beispiele sind Open-Source-Projekte wie Wikipedia oder innovative Start-ups. Gleichzeitig wurde eine Vielzahl an neuen Erklärungsansätzen in der Managementliteratur vorgeschlagen, um diese neue Welt der Arbeit zu beschreiben und besser zu verstehen. Ist damit nun alles Gestrige überholt? Kommen neue Organisationsformen tatsächlich zunehmend ohne Autorität und Hierarchien auskommen? Und suchen sich Mitarbeiter ihre Aufgaben wirklich entsprechend ihrer Fähigkeiten aus? Diese Fragen untersucht der Wirtschaftswissenschafter Markus Reitzig von der Universität Wien aktuell in einem groß angelegten Forschungsprojekt des Wissenschaftsfonds FWF. "Ich denke nicht, dass die Phänomene der jüngeren Vergangenheit unser ganzes bisheriges Wissen obsolet machen", ist der Experte für Strategisches Management und Organisationsdesign überzeugt. "Wir gehen daher der Frage nach, wo Altbewährtes nach wie vor seine Geltung hat und wo genau bestehende Theorien zur Erklärung davon, wie Organisationen funktionieren, angepasst werden müssen", erklärt Reitzig.

In einem wichtigen Teil des Projekts greifen Reitzig und sein Team auf das Sourceforge Research Data Archive (SRDA) zurück. Dort werden Daten der Website sourceforge.net eingespielt. Diese unterstützt Firmen bei der Umsetzung von Projekten mit freier Software. Inzwischen sind über 400.000 Projekte und 3,7 Millionen NutzerInnen registriert. "Dank der Abzüge im Datenarchiv können wir abbilden, was genau in diesen Projekten passiert ist; wer wann welche Aufgabe übernommen hat und welches Ergebnis erzielt wurde", erklärt Reitzig. Auf Basis mehrerer tausend Beobachtungen evaluieren die Forscherinnen und Forscher zum einen die Frage, ob Open-Source-Software-Projekte tatsächlich ohne klassische Autorität koordiniert werden. Zum anderen untersuchen sie, wie die Mechanismen der Selbstselektion wirken.

"Autorität und Hierarchie sind bis dato extrem relevante Strukturgrößen in Organisationen", betont Reitzig. Sogar in bunten und unkonventionellen Teams müsse am Ende einer eine Entscheidung treffen. Was die Legitimation dieser Autorität betreffe, zeige die Forschung, dass in vielen modernen Organisationsformen Kompetenz und Unternehmergeist diejenigen Eigenschaften sind, welche dazu führen, einer Person bereitwillig zu folgen. "Allerdings wissen wir auch, dass starre Hierarchien das mittlere Management geradezu lähmen können", ergänzt der Wissenschafter und ortet hier noch Forschungsbedarf.

IT ist allerdings nur ein Trend, der die Welt von gestern von der von heute unterscheidet. Markus Reitzig nennt andere Phänomene, die neue Organisationsformen entstehen lassen, wie etwa das explodierende Bevölkerungswachstum, grenzübergreifender Waren- und Serviceaustausch oder Ressourcenverknappung. "Wo immer diese Trends dazu führen, dass man Aufgaben anders definiert, andere Personen als die üblichen betraut, beispielsweise beim Crowdsourcing, oder anders entlohnt –, überall da entstehen neue Organisationsformen."

In einem weiteren zentralen Teil des Projektes geht das Forscherteam der Universität Wien der Frage nach, wie gewisse Basisprinzipien von Organisationen überhaupt erst entstehen, wie zum Beispiel die "Spezialisierung". Diese ist deshalb essenziell, da Unternehmen nur dann einen Mehrwert schaffen, wenn sie Spezialisierungsvorteile erreichen. "Wie genau sich diese Spezialisierung entwickelt, darüber wissen wir erstaunlich wenig", so Reitzig. Durch die Befragung von jungen Unternehmen und ethnografische Studien von Start-ups wollen die Wissenschafterinnen und Wissenschafter auch solche Grundlagenfragen klären.

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