Mit der Digitalisierung wachsen die Umsätze ebenso wie die Pflichten
Die juristische Komplexität steigt wenig überraschend mit der Anzahl der Vertriebskanäle und internationalen Präsenz. Wer beispielsweise nicht nur im Binnenmarkt verkauft, sondern auch an österreichische, französische oder angelsächsische Kunden, ist automatisch mit abweichenden Vorgaben zu Widerrufsrechten, Verpackungsverordnungen und Mehrwertsteuerpflichten konfrontiert. Der gestiegene Automatisierungsgrad zwischen dem eigentlichen Online-Shop, genutzten ERPs, CRMs, Payment- oder Fulfillment-Systemen offenbart indes datenschutzrechtliche Hürden. Jedes einzelne System muss, ebenso wie alle genutzten Tools in ihrer Ganzheit, der Datenschutz-Grundverordnung gerecht werden.
Neben einer gestiegenen Sichtbarkeit und internationaler Präsenz sind die Sortimente der Händler selbst weitere Risikofaktoren. Hier greift eine einfache Faustregel: Je größer das Sortiment, umso weitgreifender und vielschichtiger sind die Informations- und Kennzeichnungspflichten. Wer zudem noch die eingangs erwähnten Marktplätze nutzt, zum Beispiel Amazon Marketplace, Zalando oder eBay, muss neben den gesetzlichen Anforderungen zugleich die Spielregeln der Plattformen einhalten. In sozialen Netzwerken und beim Influencer-Marketing sind weitere Haftungsrisiken zu erwarten.
Bei Pflichtverletzung: Welche Fehler und Folgen erwarten Onlinehändler?
Aus den eben genannten rechtlichen Rahmenbedingungen und Pflichten entstehen automatisch die daran gekoppelten Fehlerquellen, und aus denen wiederum die Folgen für Onlinehändler. Die Fehlerdimensionen lassen sich aus Händlersicht über drei Hauptsäulen kategorisieren.
1. Preis und Angebotsfehler
Grundlage hierfür ist die Preisangabenverordnung (kurz: PAngV). Sie sieht beispielsweise eine korrekte Deklaration der Mehrwertsteuer und Versandkosten vor. Des Weiteren müssen Rabatte für Kunden nachvollziehbar sein. Aus diesem Grund darf sich der "vorherige Preis" mittlerweile nur noch auf den Ist-Preis der letzten 30 Tage beziehen.
2. Fehlende Pflichtangaben
Pflichtangaben beziehen sich automatisch auch auf alle weiteren Fehlerdimensionen. Zudem sind separat dazu noch notwendige Informationen zu berücksichtigen, allen voran in Form der AGB, Datenschutzerklärung, der Widerrufsbelehrung sowie des Impressums. Vollständige Produktinformationen, Informationen zu den Lieferzeiten und Kennzeichnungen sind außerdem sowohl aufgrund von deutschen als auch EU-Vorgaben darzustellen.
Ein weiterer Abmahnungsgrund: Ein nicht eindeutig deklarierter Bestell-Button. Der muss eindeutig gekennzeichnet sein, damit den Kunden zweifelsfrei klar wird, dass sie nun die Bestellung abschließen und eine Zahlungsverpflichtung eingehen.
3. Datenschutzverstöße
Für die strikten Datenschutzvorgaben, allen voran in Form der DSGVO, ist die Bundesrepublik selbst im internationalen Raum berühmt - und berüchtigt. Für Verbraucher geht die DSGVO mit wertvollen Schutzmechanismen einher, für Händler avanciert sie hingegen häufiger zur rechtlichen Stolperfalle.
Allen voran müssen Händler und ihre IT-Teams die Cookie-Vorgaben berücksichtigen. Ein Tracking, ob durch Google Analytics oder beispielsweise das Meta-Pixel, darf nie ohne Einwilligung erfolgen. Das regeln sowohl die DSGVO als auch das Telekommunikation-Telemedien-Datenschutzgesetz (TTDSG). Einfach nur irgendwie nach der Einwilligung zu fragen, ist aber nicht immer ausreichend. Der Besucher der Webseite muss eine ganz klare, leicht verständliche und sofortige Auswahl zwischen einer Zustimmung (alle oder notwendige Cookies) und Ablehnung (keine Cookies) angezeigt bekommen.
Übrigens: Cookie-Consents, wie die Praxis im Fachjargon heißt, sind nicht stiefmütterlich zu behandeln. Die DSGVO sieht empfindliche Strafen bei Verletzungen vor: In der Spitze können die bis zu 20 Millionen Euro, abhängig vom Jahresumsatz, ausmachen.
Das Double-Opt-in-Verfahren, das hauptsächlich für Newsletteranmeldungen zum Einsatz kommt, ist ebenso eine gesetzliche Vorgabe. Kunden dürfen nicht automatisch in Newsletter aufgenommen werden, sondern müssen ihre Anmeldung dafür zweifach bestätigen: Einmal auf der Webseite selbst, anschließend im Mail-Postfach, wo sie auf einen Bestätigungslink klicken müssen. Zudem muss jeder Newsletter eine One-Click-Möglichkeit zur Abmeldung enthalten.
Diese drei Dimensionen und rechtlichen Fehlerquellen unterstehen kontinuierlichen Prüfungen durch andere Wettbewerber, "Abmahnanwälte", Aufsichtsbehörden und Verbraucherschutzverbände. Verstöße bleiben also nur selten lange unentdeckt. Im schlimmsten Fall drohen teure Abmahnungen, die nicht nur mit hohen Kosten, sondern auch mit der Verpflichtung zu einer modifizierten Unterlassungserklärung einhergehen können. Zusätzlich besteht das Risiko nachhaltiger Rufschädigungen, insbesondere wenn Verstöße öffentlich bekannt werden oder das Vertrauen der Kundschaft beeinträchtigen.
Präventive Fehlervermeidung: So können Onlinehändler rechtliche Stolpersteine umgehen
Aufgrund der Flut von Vorgaben fällt es (leider) leicht, hin und wieder die eine oder andere davon zu vergessen. Das passiert traditionell selbst E-Commerce-Fachleuten mit entsprechender Erfahrung. Dagegen helfen regelmäßige gepflegte und konsequent genutzte Checklisten zur Einhaltung der Online-Shop-Compliance. So eine Checkliste könnte beispielsweise diese Prüfpunkte enthalten:
- Impressum, AGB, Widerrufserklärung und Co.
- Vollständigkeit der Preisangaben
- Pflichtangaben auf Produktseiten
- Kauf-Button-Beschriftung
- Lieferzeiten-Transparenz
- Cookie-Banner-Integration
- Auftragsverarbeitungsverträge mit externen Dienstleistern
- Löschkonzepte entsprechend der DSGVO
- Double-Opt-in für Newsletter
Hinsichtlich des Marketings sind alle Rabattierungen korrekt umzusetzen, Influencer-Kennzeichnungen zu prüfen, Preisvergleiche objektiv zu dokumentieren und Remarketing-Kampagnen innerhalb des genutzten Tools DSGVO-konform anzulegen.
Helfen kann an dieser Stelle auch das Vier-Augen-Prinzip. Fehler sind menschlich und schlichtweg nie auszuschließen, die Wahrscheinlichkeit dafür reduziert sich aber maßgeblich, wenn vier statt zwei Augen die einzelnen Aspekte unter die Lupe nehmen. Alle Verträge, Rechtstexte und Freigaben sind abseits davon übersichtlich zu dokumentieren. Sie werden idealerweise mit digitalen Dokumentenmanagementtools zentral abgelegt, damit sie im Zweifelsfall, zum Beispiel bei einer erhaltenen Abmahnung, schnell auffindbar bleiben.
An einer umfassenden Rechtsberatung führt letztlich aber kaum ein Weg vorbei, speziell nicht bei international tätigen Händlern. Wirtschaftlich lohnt sich das im Regelfall immer: Die Kosten für die juristische Prüfung sind normalerweise niedriger als die, die lediglich eine einzige Abmahnung verursachen würden.
Ein Notfallplan, sofern es zu Rechtsverstößen kommt, sollte aber unbedingt vorhanden sein. Dafür sind frühzeitig Zuständigkeiten zu definieren und die jeweiligen Verantwortlichen im Unternehmen festzulegen.
Digitale Wachstumspotenziale gehören genutzt - aber auf rechtssichere Weise
Digitale Tools und Prozesse können den Automatisierungs- und Effizienzgrad steigern, digitale Räume wiederum die Sichtbarkeit und Umsätze erhöhen: Trotzdem sind Digitalisierung und rechtliche Konformität im Gleichschritt zu denken. Deshalb: Prävention ist das beste Mittel, eine ganzheitliche Prozessprüfung aber ebenfalls notwendig. Bei Bedarf sollten Juristen und auf E-Commerce spezialisierte Dienstleister in die rechtliche Evaluierung einbezogen werden - nur so lassen sich perspektivisch kostspielige Bußgelder und Abmahnungen in realistischem Umfang verhindern.