Melbourne erprobt das weltweit intelligenteste Verkehrsmanagement

Majid Sarvi, Professor für Verkehrs- und Infrastrukturtechnik an der Universität Melbourne, spricht über das Australian Integrated Multimodal EcoSystem (AIMES), den weltweit intelligentesten "Mobility Hub", der gemeinsam mit Kapsch TrafficCom entwickelt wurde und in der Stadt Melbourne zum Einsatz kommt.

Herr Professor Sarvi, Sie haben das AIMES-Projekt ins Leben gerufen, ein "lebendiges Labor" direkt in Melbourne, um das Verkehrssystem der Zukunft zu entwickeln. Was hat es damit auf sich?

Professor Sarvi: So wie unsere Telefone durch Konnektivität intelligenter geworden sind, können wir jetzt vernetzte Verkehrstechnologien nutzen, um den Verkehr in unseren Städten sicherer, sauberer und nachhaltiger zu machen. Um dieses Ziel zu erreichen, implementieren wir neue vernetzte Verkehrstechnologien in einem 6 km2 großen Segment in der Innenstadt von Melbourne. Es handelt sich um das weltweit erste und größte Test-Ökosystem für vernetzte Städte.

Was sind die großen Herausforderungen?

Professor Sarvi: Wir setzen reale Technologien in der realen Welt in großem Maßstab und in einem komplexen städtischen Umfeld ein. Es gibt ein mehr als 100 km langes Straßennetz und mehr als 70 Kreuzungen sowie Straßenbahnen, Busse, Schwerlastverkehr, Radfahrer und Fußgänger. All diese Teile des Verkehrssystems können miteinander verbunden werden und miteinander "sprechen" - von gefährdeten Verkehrsteilnehmern wie Fußgängern, Radfahrern und Autofahrern, die Bluetooth nutzen, über Sensoren in Bussen, Straßenbahnen und Zügen bis hin zu Umweltsensoren, die Verschmutzung und Lärm erfassen. Wenn die Technologie hier funktioniert, ist das ein echter Beweis für das Konzept.

Wie viel Geld wurde investiert?

Professor Sarvi: Wir haben in den letzten vier bis fünf Jahren etwa 30 Millionen Australische Dollar für das AIMES-Projekt ausgegeben. Das ist sehr wenig Geld im Vergleich zu dem, was Regierungen normalerweise für die Instandhaltung des Verkehrssystems und den Bau neuer Straßen ausgeben. Man muss bedenken, dass allein in Melbourne jedes Jahr rund 15 Milliarden Australische Dollar durch Staus verloren gehen. Nach unseren Schätzungen würde es 200 bis 300 Millionen Australische Dollar kosten, das Verkehrssystem in ganz Melbourne zu digitalisieren. Das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag ist also enorm.

Staus sind also sehr teuer - wie sollte man sie bekämpfen?

Professor Sarvi: Die Verkehrsüberlastung hat ein Ausmaß erreicht, das wir uns nicht mehr leisten können. Mit Blick auf die Zukunft sollten wir künstliche Intelligenz einsetzen, um unseren Städten bei der Bewältigung von Staus und deren Auswirkungen zu helfen. Wir arbeiten auf dieses Ziel hin: Um Daten zu analysieren, verwenden wir Techniken des maschinellen Lernens, die Informationen aus einer riesigen Datenmenge herausfiltern. Der vielversprechendste Weg, Staus zu bekämpfen, ist der Einsatz dieser Technologien, die vergleichsweise kostengünstig sind.

Sie haben beschlossen, Technologiepartner einzubeziehen - was haben diese getan?

Professor Sarvi: In einem städtischen multimodalen Ökosystem braucht man Technologiepartner, die Lösungen sowohl für die Betreiber als auch für die Bürger, die das Netz nutzen, bereitstellen. In Melbourne hat das Team von Kapsch TrafficCom Australia einen "Mobility Hub" entwickelt, der Reisende verbindet, informiert und leitet. Dieses technologische Know-how ermöglicht es der Stadt Melbourne, unsere neuen Mobilitätsstrategien in einer realen Umgebung zu testen - mit besonderem Augenmerk auf die Verbesserung der Sicherheitsstandards und die neuesten stauvermindernden Technologien, um die Zeit, die im stehenden Verkehr verbracht wird, zu reduzieren.

Wie kann die Sicherheit der schwächsten Verkehrsteilnehmer erhöht werden?

Professor Sarvi: Immer mehr Menschen nutzen ihr Fahrrad, E-Scooter oder gehen zu Fuß in der Stadt - das macht sie anfälliger für Unfälle. Jüngsten Erkenntnissen zufolge steigt die Zahl der Kleinlastwagen weltweit sprunghaft an - das schafft neue Herausforderungen. Innovative Technologien wie das AIMES-Projekt können und sollten eingesetzt werden, um die Zahl der Verkehrstoten und -verletzten zu reduzieren. Der Kapsch "Mobility Hub" als Teil des AIMES-Projekts zielt auf solche Sicherheitsfragen ab, indem intelligente Kreuzungen eingerichtet und komplexe Mobilität innerhalb größerer Verkehrskorridore gesteuert wird. Gemeinsam mit unseren Technologiepartnern versuchen wir, Sicherheit und Verkehrsbedingungen proaktiv vorherzusagen, um Staus zu reduzieren. Wir haben gelernt, dass es Win-Win-Situationen für alle, Bürgerinnen und Bürger wie auch Verkehrsanbieter, gibt - die Verbesserung der Sicherheit und gleichzeitig eine Reduktion von Staus und Emissionen. Dies ist ein großartiges Ergebnis für Melbourne und eine hervorragende Vorlage für das Mobilitätsmanagement anderer Städte auf der ganzen Welt!

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