2017/10 | Fachbeitrag | Wissenstransfer

Wissen verteilen: So informieren Sie richtig!

von Manfred Maurer

Inhaltsübersicht:

Eine gute Informationskultur wird von den Beschäftigten als Wertschätzung erlebt und ist Vertrauensmarketing. Eine volle Entfaltung der leistungssteigernden Wirkung wird erzielt, wenn der sehr hohe Stellenwert von Information und Kommunikation in dem Führungsprozess gebührend berücksichtigt wird. Informations- und Kommunikationsprozesse haben eine soziotechnische Dimension. Ihre Handhabung „ist eine Synthese zwischen Technik, Menschen und Kultur“. [1] Diese Sicht der Soft Facts darf bei der Gestaltung der Bedingungen für den Digital Workplace nicht vernachlässigt werden.

Die hohe Dynamik des Wandels geht einher mit wachsenden Informationsmengen, hoher Informationsdichte und steigender Komplexität. Damit erhöhen sich auch die potenziellen Gefahren einer Überforderung der Informationsempfänger. Es entstehen angstbesetzte und somit leistungsmindernde Verhaltensmuster. Deswegen gelten für den erfolgreichen, motivierenden Umgang mit Informationen acht grundlegende Bedingungen.

 

1. Präzise Ermittlung des Informationsbedarfs

Eine effektive Informationskultur kann nicht nach dem Gießkannenprinzip gestaltet werden. Der Bedarf orientiert sich an den konkreten Handlungs- und Verantwortungsspektren der Zielgruppen. Eine verlässliche Ermittlung und Priorisierung bilden die unverzichtbare Grund-lage für den zielgerichteten Umgang mit Informationen. Eine bewährte Möglichkeit sind Erhebungen im Rahmen von Mitarbeiterbefragungen.

2. Vermeidung und Beseitigung von Ängsten

Angst kann definiert werden als das Delta von rationaler Wahrnehmung (Wissen, Erfahrung, Fakten) und emotionaler Wirkung (Vermutungen, Ahnungen, Gerüchte). Sie ist da am höchsten, wo Menschen vornehmlich ihren eigenen Vorstellungen ausgeliefert und deswegen auf Vermutungen angewiesen und besonders empfänglich sind für Halbwahrheiten und Gerüchte. Der griechische Philosoph Epictet (55-135 n. Chr.) wird zitiert mit dem Ausspruch: „Es sind nicht die Dinge selbst, die uns beunruhigen, sondern unsere eigenen Vorstellungen, die wir von den Dingen haben.“ Dazu passt ein Zitat von der zweifachen Nobelpreisträgerin Marie Curie: „Nichts im Leben gilt es zu fürchten, es gilt nur, es zu verstehen.“ Angst führt zu einer Überbewertung sekundärer Gefahren; die tatsächlichen Gefahren werden übersehen. Angst verhindert daher zukunftsorientiertes Handeln.

Die Entstehung von Angst ist insbesondere bei Veränderungsvorhaben ein erschwerendes Phänomen. Für ein erfolgreiches Changemanagement gilt es deswegen, die von Kurt Tsadek Levin (1890-1947) formulierte Formel in der von ihm vorgegebenen Reihenfolge anzuwenden:

  1. Auftauen (unfreeze): Rechtzeitige und umfassende Information und Kommunikation zu dem Vorhaben für alle Beteiligten anbieten. Für die Behandlung von Widerständen ist insbesondere die Formulierung des Nutzens bedeutsam.
  2. Verändern (change): Klar strukturierte Prozesse für die Veränderung und die Bildung erforderlicher Fähigkeiten schaffen und unter größtmöglicher Mitwirkung der Beteiligten (stakeholders) umsetzen.
  3. Stabilisieren (refreeze): Für schnellstmögliche Festigung der neuen Prozesse sorgen – und zwar unter Berücksichtigung verlässlichen Feedbacks von den Beteiligten zu den gemachten Erfahrungen.

Es ist ein weitverbreitetes Problem, dass der Auftauprozess ganz oder teilweise vernachlässigt wird. Oft herrscht die Meinung vor, dafür keine Zeit zu haben. Man vergisst dabei, dass die nachträgliche Bearbeitung von Widerständen oder sogar das Scheitern des Vorhabens, ein Vielfaches an Kosten, Frust und Unzufriedenheit verursachen.

3. Präziser Zuschnitt auf die Bedürfnisse der Zielgruppen

Allen alles zu sagen, führt zu einer angstbesetzten, lähmenden Empfindung einer individuellen Überforderung. Es bedarf einer sorgfältigen Abwägung und Strukturierung, um die Inhalte, die Medien, das Timing und die Vorgehensweisen motivierend zu gestalten. Das Erfordernis eines solchen Zuschnitts darf jedoch nicht als Gelegenheit zur Bevormundung oder zur Manipulation missverstanden werden. Die Bedürfnisse und Erwartungen an den Informationsprozess dürfen nicht zu eng gefasst werden, sondern gehen über den Tellerrand hinaus. Bei dieser Betrachtung wird häufig das Gebot der Vertraulichkeit ins Feld geführt. Bei näherem Hinsehen wird meist deutlich, dass dieses Erfordernis überbewertet wird und oft als durchsichtiges Alibi für eine restriktive Informationskultur herhalten muss.

4. Zielgerichtete Informations- und Dialogregeln

Information allein genügt nicht. Um eine motivierende Wirkung zu erzielen, bedarf es der Erklärung von Zusammenhängen und der Erläuterung von Konsequenzen. Insbesondere für Personen, die nicht zum Führungskreis gehören, ist es ein sehr vitales Bedürfnis, verlässliche Erläuterungen und Erklärungen zu erhalten. Dies ist ein wirksames Mittel gegen potenzielle Ängste und Unsicherheiten. Die praktische Umsetzung dieser Erkenntnisse führt zu neuen und innovativen Dialogmaßnahmen auf allen Ebenen der Organisation.

5. Ganzheitliches Konzept zur Regelkommunikation

Es hat sich vielfach bewährt, die Vorgehensweisen für Information und Kommunikation in ein ganzheitliches Format zusammenzufassen. Dies wird häufig unter dem Begriff der „Regelkommunikation“ ausgestaltet. Das Konzept regelt verbindlich die Inhalte, Sender, Empfänger, Zeitpunkt und Häufigkeit als auch die Form und Medien, welche für die Information und Kommunikation bestimmend sind. Es umfasst arbeitsplatzbezogene, arbeitsplatzübergreifende und unternehmensweite Themen.

Mit einer derartigen Vereinbarung wird der Informations- und Kommunikationsprozess nicht länger der Beliebigkeit oder dem Zufall überlassen, sondern erfolgt mit einer verlässlichen, verbindlichen Struktur. Regelmäßiges Feedback von den Beteiligten sichert den nachhaltigen Erfolg. Daraus ergeben sich Impulse und Anregungen für Verbesserungen, denn eine Regelkommunikation ist kein statisches Gebilde. Ihre Wirksamkeit lebt von der zeitnahen und bedarfsgerechten Anpassung an den Wandel und an die sich ändernden Bedürfnisse. Eine solche Zusammenfassung eignet sich auch zur permanenten Visualisierung als Daueraushang.

6. Klärung der Hol- und Bringschuld

Ein sehr wesentlicher Gesichtspunkt für eine effiziente und effektive Gestaltung der Informationsprozesse ist die Klärung der Verantwortlichkeiten bei der Beschaffung und Lieferung der Informationen. Die Ausprägungen von Hol- und Bringschuld erfordern eine differenzierte Betrachtung der Verantwortungs- und Handlungsebenen der Zielgruppen. Für die Führungsebenen ist grundsätzlich von einem hohen Anteil an Holschuld auszugehen. Die positionsspezifische Kenntnis der Beschaffungsmöglichkeiten, die funktions-spezifischen Zugriffsberechtigungen sowie die individuelle Befähigung zur Interpretation und Einordnung ermöglichen dieser Zielgruppe ein hohes Maß an „Selbstversorgung“. Dagegen steht für die Zielgruppen unterhalb der Führungsebenen die Bringschuld der Führungskräfte, der Fachabteilungen und der Geschäftsleitung im Vordergrund. Damit ist gewährleistet, dass die Informationen bedarfs- und zielgrupppengerecht aufbereitet und mit erforderlichen Erläuterungen und Interpretationen angereichert werden können.

7. Schaffung hoher Medienkompetenz

Der wertschöpfende Umgang mit Informationen setzt nicht zuletzt bei allen Beteiligten eine adäquate technische Ausstattung und sichere Handhabung der relevanten Medien voraus. Bei den damit verbundenen Lernprozessen ist wiederum die soziotechnische Relevanz zu beachten. Auch im Zeitalter der Smartphones und der sozialen Medien bestehen noch Berührungsängste gegenüber technischen Neuerungen. Die Herstellung der erforderlichen Kompetenzen gelingt besonders gut, wenn im Unternehmen einheitliche Standards für Hard- und Software etabliert sind und deren strikte Einhaltung gewährleistet ist.

8. Etablierung von Multiplikatoren

In der Vermittlung des Wissens und der Fähigkeiten haben sich so genannte interne Multiplikatoren bewährt. Es sind Beschäftigte, die ausgebildet sind, um neben ihren Hauptaufgaben die Rolle eines „first level support“, d.h. einer arbeitsplatznahen Unterstützung der Endbenutzer, für definierte Anwendungsbereiche wahrzunehmen. Man nennt sie auch „Informationsagenten“. Die Qualifizierung zu Multiplikatoren wird von den dafür ausgewählten Beschäftigten in der Regel als eine sehr attraktive, erstrebenswerte berufliche Zusatzqualifikation gesehen und trägt zur Bindung gut qualifizierter Mitarbeiter bei.

Fazit

Die potenziellen Chancen und Vorteile des Digital Workplace sind vielversprechend. Mit der Berücksichtigung der soziotechnischen Dimension gemäß den hier geschilderten Bedingungen und Erfolgsfaktoren können sich daraus konkrete Wettbewerbsvorteile entwickeln. Neben den produkt- und marktrelevanten Faktoren entsteht ein spürbarer Beitrag zur Mitarbeiterbindung, die in Zeiten des Fachkräftemangels von herausragender Bedeutung ist.

Anmerkung:

[1] Chittur Ramakrishnan in FAZ

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