2010/1 | Fachbeitrag | Wirtschaftskriminalität

Wirtschaftskriminalität - Wissen in Gefahr

von Kai Petersen

Inhaltsübersicht:

 

Unternehmen in Wirtschaft und Industrie wehren sich gegen Korruption und Ausspähung. In Phasen wirtschaftlicher Unsicherheit greifen Konkurrenten zu illegalen Methoden, die Hemmschwelle sinkt und die kriminelle Energie wächst. Politik, Justiz und Sicherheitsbehörden suchen noch angemessene Schutzszenarien. Durch Headhunter können Sicherheitsverantwortliche und Personalentscheider bei der Personalauswahl das Schlüssel-Know-how gegen falsche Führungskräfte absichern.

 

Anfällig ist vor allem das spezialisierte Prozesswissen im Mittelstand. Jeder vierte Täter ist im geschädigten Unternehmen selbst beschäftigt. Mancher Vorgesetzte und Leitungskollege in den Unternehmensbereichen Personalwesen, Vertrieb oder Forschung versucht sich an der unberechtigten Wissensweitergabe. Informationen über Lebensgewohnheiten möglicher Informanten und das persönliche Umfeld werden gesammelt, um Kompetenzträger gezielt ansprechen zu können. Dabei werden Geld und verlockende berufliche Perspektiven geboten, wenn sie zunächst bei der Konkurrenz anheuern, um Informationen für den späteren eigentlichen Arbeitgeber zu beschaffen.

 

Gesamtwirtschaftlicher Flurschaden

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ist überzeugt: Durch Wirtschaftsspionage, also dem Ausspähen von Unternehmen seitens ausländischer Geheimdienste, entsteht der deutschen Wirtschaft jährlich ein Schaden von bis zu 80 Milliarden Euro. Nachrichtendienstlich betriebene Ausspähung dient dem Staatsinteresse, inländische Produktion zu fördern und auszubauen. So setzen China und Russland systematisch Agenten zum Nutzen heimischer Unternehmen ein.

 

Die verschärften Bedingungen der globalisierten und technisierten Wirtschafts- und Arbeitswelt machen den Wettbewerb auch zwischen Unternehmen selbst härter. Wirtschaftskriminalität, also die Ausspähung von Unternehmen von Seiten konkurrierender Firmen, verursacht in Deutschland geschätzte Schäden in Höhe von sechs Milliarden Euro jährlich.

 

Schrittweise juristische Präventionen

Die Schweiz hat 2003 das Competence Center Forensik und Wirtschaftskriminalität (CCFW) an der Hochschule Luzern gegründet. Hinter dem CCFW stehen die Schweizerische Bankenvereinigung, der Versicherungsverband, Polizei und Justiz. Vertreter von Behörden und Wirtschaft arbeiten Hand in Hand, lernen voneinander und miteinander. Erst im Oktober 2009 gründete sich in Deutschland das German European Security and Safety Institute e.V. (Gesi) in Potsdam. Ziel des Partnernetzwerkes im Aufbau aus Wirtschaft, Forschung, Politik, Verwaltung, zivilen und militärischen Sicherheitsbehörden sind die Analyse, Kommunikation und das Management von Sicherheitsherausforderungen. Dabei zählt vor allem Methoden- und Systemwissen, weniger geheimer Informationsaustausch.

 

In Deutschland erschweren unkoordinierte Zuständigkeiten von Behörden die Zusammenarbeit im Kampf um faire Wirtschaftsregeln. „Geheimnisverrat“ verbietet das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Gibt ein Mitarbeiter Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse an Dritte weiter, macht er sich strafbar und muss Schadenersatz leisten. Gleiches droht Unternehmen, die von illegalen Informationen profitieren. Für Wirtschaftsspionage ist der Verfassungsschutz zuständig, für Wirtschaftskriminalität allgemein das Bundeskriminalamt. Immerhin bieten Bundesministerien und Verfassungsschutz in Deutschland neben Strategien auch kostenlose Software zur Abwehr von Internetattacken für Firmen an.

 

Wissensverlust als Preis des Vertrauens.

Mittelstandsunternehmen misstrauen staatlichen Institutionen; stattdessen überwachen hauseigene Ermittler der Compliance-Abteilungen die Einhaltung firmeninterner Verhaltensregeln, um Wissensverlust vorzubeugen. Die Unternehmensleitung versucht ihre Forschung und Entwicklung entweder möglichst lange geheim zu halten, um ein Produkt oder eine Dienstleistung als Erster zu patentieren und auf den Markt zu bringen. Sensibles Vertriebs-Know-how lässt sich aufgrund fehlender Vertraulichkeitsvereinbarungen nicht nachträglich schützen.

 

Über manch technische Unzulänglichkeit wird durch kreative Wissensdiebe das Personalmanagement zur ergiebigen Quelle. Dabei ist der hundertprozentige Schutz vor Wissensverlust eine Illusion, denn der Faktor Mensch ist unberechenbar. Jede Führungskraft hat Zugriff auf unternehmenskritische Daten, Zugang und Passworte für die vertrauliche Kommunikation mit internen Kollegen und externen Geschäftspartnern. Geschäftsreisen und -meetings eröffnen Gelegenheiten zum unüberlegten Wissenstransfer. Doch deshalb dürfen nicht jedem Neu-Manager gleich verbrecherische Absichten unterstellt werden.

 

Gewollte Weitergabe von Expertenwissen

Ob Authentizität, Loyalität, Verlässlichkeit: Mit Methode und Transparenz gelingt es einem Arbeitgeberunternehmen, das Verdachtsrisiko schon bei der Neu-Einstellung zu minimieren. Dabei profitieren Unternehmen vom Einsatz eines Headhunters, da diese potenzielle Leistungsträger direkt kontaktieren und eine qualifizierte Vorauswahl treffen kann. Als externe Recruiter beraten sie den künftigen Arbeitgeber schon bei der Analyse möglicher Zielfirmen, aus denen künftige Führungskräfte abgeworben werden könnten. Welche ethischen, juristischen, operativen Wettbewerbsgebote sind zu beachten? Welche mittelbaren Konsequenzen hat der Wechsel der Führungskraft für das Konkurrenzverhältnis? Wie glaubwürdig ist der brancheninterne Wechsel eines berufserfahrenen Spezialisten für künftige Kundenbeziehungen?

 

Personalberater durchleuchten Bewerber, verifizieren Lebensläufe, Zertifikate und Diplome. Dabei helfen auch investigative Methoden, um Referenzen und Empfehlungen als echt zu bestätigen. Eine souveräne, systematische Recruiting-Strategie befördert den positiven Wissenstransfer und erhält ein entspanntes Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgeber im Umgang mit dem hausinternen Expertenwissen.

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