2010/4 | Fachbeitrag | Verschwendung

Verschwendung erkennen, Verschwendung vermeiden

von Simone Glitsch

Inhaltsübersicht:

 

Haben Sie schon mal ein Puzzle zusammengesetzt, von dem Sie nur eine ungefähre Ahnung hatten, was es abbildet? Ich habe neulich ein kleines Puzzle aus einem Ü-Ei zusammensetzen müssen, das offensichtlich Zebras abbildete. Trotz strategischen Vorgehens, zuerst die Randstücke anzuordnen, und trotz der überschaubaren Größe von nur 12 Puzzleteilen, brauchte ich erheblich länger als gedacht. Und das Aha-Erlebnis hätte nicht größer sein können. Die Zebras standen nämlich nicht wie erwartet artig nebeneinander, sondern eines legte den Kopf auf den Rücken des anderen. Ein ähnliches Aha-Erlebnis dürfen Sie erwarten, wenn Sie Ihre Puzzlesteine – Ihre Geschäftsabläufe – zusammengesetzt haben.

 

Verschwendung erkennen

 

Wenn man alle Puzzleteile zusammensetzt, ergibt sich ein objektives Bild. Sie werden nicht nur vermuten, Sie werden sehen. So entkommen Sie der psychologischen Falle, nur die Dinge zu sehen, die in Ihr erwartetes Bild passen (bei mir waren es artig nebeneinander stehende Zebras). Genauso funktioniert das auch bei Ihren Geschäftsprozessen. Sie werden erkennen

  • welche Arbeiten doppelt gemacht werden,
  • wo es Informations- und Bearbeitungslücken gibt,
  • wo Suchzeiten auftreten,
  • wodurch Missverständnisse entstehen und was nicht effizient bearbeitet wird.

 

 

Geschäftsprozesse nachvollziehbar machen

Wie setzt man die Puzzleteile eines Geschäftsprozesses zusammen? Fangen Sie im Kleinen an und machen Sie einen Geschäftsprozess nachvollziehbar, zum Beispiel wie ein Angebot erstellt wird. Dazu fragen Sie am besten ein paar Mitarbeiter, die sich damit beschäftigen. Aber Vorsicht! Widerstehen Sie der Versuchung, rhetorische Fragen zu stellen! Benutzen Sie am besten die W-Fragen: Was? Wann? Wer? Wo? Wie? Warum? Oder Sie lassen diese Aufnahme einen betriebsfremden Experten machen, denn der ist frei von Ihrem Betriebsdenken, hat einen anderen Blickwinkel und kann dank seiner Erfahrung und berufseigener Methoden, wie dem Quercheck, den Kern noch besser erfassen. Schon bei der Befragung des zweiten Mitarbeiters werden Sie feststellen, wo Doppelarbeiten, Suchzeiten und Missverständnisse auftreten. Nachdem Sie sich ein Bild durch Gespräche mit ausreichend vielen Mitarbeitern gemacht haben, können Sie schon recht genau aufzeigen, was gut funktioniert und was nicht.

 

Um den bearbeiteten Geschäftsprozess nachvollziehbar zu machen, muss dieser aufgezeichnet werden. Welche Version nutzen Sie? Die von Mitarbeiter A oder die von Mitarbeiter B? Oder eine Kombination von beiden? Es wird wohl auf Letzteres hinauslaufen. Idealerweise sprechen die Mitarbeiter untereinander ab, wo sie einheitlich arbeiten müssen und wo Variationen erlaubt sind. Selbstverständlich sollte auch der Abteilungsleiter oder Prozessmanager involviert sein, der ab und an eine Entscheidung treffen muss. Nach dieser „Verhandlung“ sollte der Prozess aufgezeichnet werden. So kann die gemeinsam entwickelte Prozessbeschreibung als Spielregel fungieren. Sie ist für jedermann nachzulesen und gilt für alle.

 

Verschwendung vermeiden

 

Allein durch eine einheitliche Vorgehensweise der Mitarbeiter in der gleichen Abteilung werden Sie Zeit und Geld sparen:

  • Sie vermeiden Suchzeiten, wenn der Status eines Vorganges nachvollziehbar ist und auch eine Vertretung diesen Vorgang zum Abschluss bringen kann, weil die Vorgehensweise klar ist.
  • Sie vermeiden Missverständnisse, wenn die Anforderungen unterschiedlicher Abteilungen aufeinander abgestimmt sind. Besonders häufig geht es schief, wenn der Vorgang in die Bearbeitung der nächsten Abteilung kommt. So passiert es recht häufig, dass es bei der Auftragsabarbeitung im Bereich Technik Probleme gibt. Sei es, weil Absprachen den Technikern nicht bekannt sind oder im Verkauf Leistungsmerkmale zugesagt wurden, die technisch nicht realisiert werden können. Im Ergebnis ist der Kunde unzufrieden und Sie sind es auch, weil mehr Zeit investiert werden muss als veranschlagt wurde.
  • Sie vermeiden doppelte Arbeit, indem Aufgaben und Verantwortungen klar zugeordnet sind. So kann durch den Innendienst mit dem Kunden schon beim ersten Telefonanruf ein Beratungstermin vereinbart werden. Das spart die teure Zeit des Meisters, die er sonst selbst für die Rückrufe zur Terminierung aufwenden müsste.
  • Sie werden effizienter arbeiten, wenn Mitarbeiter nicht mehr eigene Lösungen stricken, um trotz zentralen Einkaufes schnell an das notwendige Material zu kommen. Oder wenn Techniker nicht mehr wegen eines fehlenden Teils zurück in die Firma oder zum Baumarkt fahren. Oder wenn die Büromitarbeiterin schneller Tabellen formatiert, weil sie jetzt den Befehl „Überschriften auf jeder Seite wiederholen“ kennt.

 

 

Warum ist Verschwendung so schwer zu erfassen?

Auch ineffiziente Abläufe funktionieren – jedoch nur mit einem entsprechenden ausgleichenden Engagement der Mitarbeiter und einem enormen Zeitaufwand. Weil es „schon immer so funktionierte“ ist man nicht geneigt, Abläufe kritisch zu betrachten und zu optimieren. Dies geschieht häufig erst nach markanten Ereignissen, wie etwa dem Verlust eines guten Kunden, teurer Nacharbeiten an einem Auftrag oder dem Burn-out eines leitenden Mitarbeiters, nach dessen Arbeitsausfall sich ein klaffendes Loch auftut.

 

Geschäftsprozessmanagement lohnt sich

Verschwendung zu vermeiden, lohnt sich. Auch wenn Verschwendung nicht beabsichtigt sein muss, so fließen doch permanent Geld und wertvolle Zeit aus sinnbildlich kleinen Löchern aus der Tasche. Dieses ständige und allseits präsente Fließen ist wesentlich teurer als die Investition, die die Löcher stopft. Manchmal muss man nur einmal rechnen: Wenn auch nur ein Mitarbeiter jeden Tag 5 Minuten einspart, dann sind das bei 220 Arbeitstagen schon 1.110 Minuten oder 18,3 Stunden. Multipliziert mit dem Stundensatz des Mitarbeiters von angenommenen 50 Euro sind das 916,67 Euro im Jahr. Das können Sie dann noch mit x Mitarbeitern und y Jahren hochrechnen ...

 

Diese Rechnung lässt sich für die Anschaffung eines neuen Druckers machen, in den der Mitarbeiter jeden Tag 5 Minuten investiert. Aber viel wichtiger ist diese Rechnung für die nicht greifbaren Kostenfresser, wie die Suche nach dem aktuellen Stand der Unterlagen oder die Zeit für das Erstellen einer handschriftlichen Banf (Bestellanforderung) zum Auslösen der maschinellen Banf. Hier können Sie auf Dauer wesentlich mehr sparen.

 

Durch die beschriebene Vorgehensweise, die Geschäftsprozesse sichtbar zu machen, werden auch die „Löcher“ in der Organisation sichtbar. Damit haben Sie einen guten Ansatz, um Verschwendung zu vermeiden.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

Mit Policy Deployment die Unternehmensvision zum Erfolg führen

Die Arbeit am Strategieplan des eigenen Unternehmens ist von vitaler Wichtigkeit. Doch längst nicht alle Unternehmen verfügen über solide Prozesse für die Umsetzung. „Ihr Unternehmen erzielt die Ergebnisse, die es verdient“, sagt Anand Sharma, der seit Ende der 90er Jahre Lean-Manufacturing- und Policy-Deployment-Programme mitgestaltet. Mit Policy Deployment legen Unternehmen fest, welche Geschäfts...

Weiterlesen

Toyota Way: Probleme lösen mit A3-Reports

Wenn Unternehmen eine Lean-Kultur oder Kultur der kontinuierlichen Veränderung (KVP) in ihrer Organisation verankern möchten, stehen sie vor folgender Herausforderung: Ihre Mitarbeiter und Arbeitsteams auf der wertschöpfenden Ebene müssen lernen, eigenständig Probleme zu erkennen, deren Ursachen zu analysieren, Maßnahmen zu deren Beseitigung zu definieren, diese konsequent umzusetzen und hieraus neue ...

Weiterlesen

Routine und Verbesserung – passt das zusammen?

WISSENplus
Viele Unternehmen führten in den zurückliegenden Jahren Lean Management in ihrer Organisation ein. Und anfangs erzielten sie damit auch „Quick Wins" – also schnelle Erfolge. Doch dann stagnierte der Prozess und der Lean-Gedanke mutierte zu einer „Methode". Eine echte Verwurzelung im Arbeitsalltag blieb aus. Doch Unternehmen können sich heute nicht mehr auf einmal erreichten „Lorbeeren&q...

Weiterlesen

Mitarbeiter(un)zufriedenheit – wie aus Vorschlägen Verbesserungen werden

WISSENplus
Mitarbeiterbefragungen sind zu einem wichtigen Bestandteil der modernen Personalarbeit geworden, in vielen Fällen liefern sie wichtige Erkenntnisse für die strategische Unternehmensführung und bieten der Belegschaft die Möglichkeit, sich aktiv einzubringen. Andererseits gibt es aber noch immer viele Befragungsprojekte, die ohne konkrete Ergebnisse im Sand verlaufen oder gar nicht erst in Angriff genomme...

Weiterlesen

Die Dubai Health Authority automatisiert ihre Geschäftsprozesse

Unternehmen nutzen für die schnelle Entwicklung von Applikationen zunehmend Low-Code-Plattformen. Aber auch für die Automatisierung und Optimierung von Geschäftsprozessen sind sie eine ideale Basis, wie ein umfassendes Digitalisierungsprojekt aus dem Behördenbereich zeigt: Die Dubai Health Authority hat im Zuge einer Smart-City-Initiative den Verwaltungsaufwand rund die zirka zwei Millionen Visaanträge...

Weiterlesen

Erfolgsfaktor Höchstleistung – von den Besten lernen

Was machen Höchstleister besser als andere? Wie erringen und halten Marktführer ihre Position an der Spitze einer Branche? Antworten auf diese und andere Fragen gibt Dr. Gerhard Wohland, Leiter des Instituts für Höchstleistungen an der Benmark University, in einem Experten-Interview. Exemplarisch führt er dabei Toyota als Beispiel für erfolgreiches Wissensmanagement an. Seiner Meinung nach kann nur ei...

Weiterlesen

Komplexes Projektwissen professionell steuern

Im Zeiten wachsenden Wettbewerbsdrucks müssen auch mittelständische Unternehmen ihre täglichen Projekte immer effektiver und professioneller managen. Eine genaue Ressourcenplanung ist somit unerlässlich. Hier gilt es, Über- und Unterdeckungen zeitnah zu identifizieren und unbürokratisch anzupassen. Vor allem wenn die Verantwortlichen mehrere Projekte gleichzeitig steuern, kommt die Organisation häufi...

Weiterlesen

Optimal vernetzt: Prozessoptimierung bei der AOK Baden-Württemberg

WISSENplus
„ Es läuft nicht mehr rund“, stellten die Entscheider in der Hauptverwaltung der AOK Baden-Württemberg fest. Arbeitsabläufe, Prozesse und Strukturen, die sich über Jahre entwickelt haben, können bei Veränderungen des Marktes deutlich an Effizienz verlieren und sind oft der Auslöser für Veränderungsprozesse. Es muss aber nicht ausschließlich der Markt sein, der die Veränderung erzwingt, sonde...

Weiterlesen