2002/10 | Fachbeitrag | Veränderungsprozesse

Veränderungsprozesse im Unternehmen meistern

von Susanne Schmeißer

Von Susanne Schmeißer

 

Inhaltsübersicht:

 

 

 

Unternehmen, die im Wettbewerb überleben

 

wollen, sind gezwungen, sich laufend einem sich immer schneller

 

ändernden Umfeld anzupassen. Veränderungsprozesse in Unternehmen

 

zu initiieren und erfolgreich umzusetzen, ist daher zu einer Hauptaufgabe

 

für Manager geworden. Bestandteile des Wissensmanagements müssen

 

auf die Phasen eines Change-Prozesses abgestimmt und in die Unternehmungsstrategie

 

integriert werden. Diese Aufgabe ist aber kniffliger, als sie auf

 

den ersten Blick erscheint. Ein Aspekt, der häufig unterschätzt

 

wird, ist das Gedächtnis von Organisationen.

 

 


Change Management erfordert Allround-Beratung

 

 

"Ein Phänomen, das im Zuge häufiger Veränderungsprozesse

 

festzustellen ist, ist eine gewisse Veränderungsmüdigkeit",

 

verdeutlicht Dr. Georg Kraus, Geschäftsführer der Unternehmensberatung

 

Dr. Kraus & Partner und Dozent am Institut für Arbeitswissenschaften

 

der Universität Karlsruhe, die Problematik und Vielschichtigkeit

 

von Change-Management-Prozessen. Spätestens nach der dritten

 

Veränderungswelle entstehe oftmals eine Grundhaltung nach dem

 

Motto: "Auch diesen Sturm werde ich überstehen, wenn ich

 

mich nur schön bedeckt halte und nicht auffalle". Eine

 

wesentliche Aufgabe im Rahmen von Veränderungsprozessen ist

 

es daher, zu erkennen, wo die Organisation steht, und die Erfahrungen

 

der Mitarbeiter in den Prozess zu integrieren. Dies kann so weit

 

gehen, so Kraus, "dass ein Change-Prozess nicht als Change-Prozess

 

bezeichnet wird, da die Assoziationen aus der Vergangenheit der

 

Organisation eher negativ sind". Eine wichtige Rolle kommt

 

hier dem Berater zu, der den Veränderungsprozess begleitet.

 

 

 

 

 

Ganzheitliche Beratung ist allerdings – noch – eine Seltenheit.

 

Der Beratermarkt ist im Wesentlichen zweigeteilt: Auf der einen

 

Seite gibt es die klassischen Unternehmensberatungen, die Organisationen

 

eher als technische Gebilde sehen und den Schwerpunkt der Beratung

 

auf die Optimierung der Organisation legen. Die Empfehlung lautet

 

dann in der Regel, Geschäftsprozess-Optimierungen, Downsizing-Programme

 

oder Produktportfolio-Bereinigungen vorzunehmen. Auf der anderen

 

Seite gibt es die Beraterfraktion, die den Menschen im Mittelpunkt

 

sieht. In diesem Fall werden die angeregten Change-Prozesse in der

 

Regel den Fokus auf Zusammenarbeit und Entwicklung von Individuen

 

und Gruppen legen. Das ist Kraus nicht genug, er übt heftige

 

Kritik an dieser Zweiteilung: "Ich kenne nur ganz wenige Berater,

 

die es schaffen, beide Sichtweisen zu integrieren und eine ganzheitliche

 

Beratung vornehmen – auch wenn die meisten ‘Ganzheitlichkeit’

 

auf ihren Visitenkarten stehen haben."

 

 

 

Mit dieser Einschätzung steht Kraus nicht allein. Diplom-Psychologe

 

Michael Franke, Geschäftsführer des Trainings- und Beratungsunternehmens

 

IMPULSE, bestätigt: "Nicht wenige Veränderungsprozesse

 

in Organisationen orientieren sich zu stark am einseitigen Themen-

 

und Kompetenzfokus der jeweiligen Beratungsgesellschaft. Daran sind

 

letzthin auch die verantwortlichen Manager nicht ganz schuldlos,

 

die derzeit oft nach der Formel ‘Hart und radikal ergibt wirkungsvoll’

 

Veränderungsprozesse durchführen lassen." Die Folge

 

ist ein hohes Ohnmachts- und Frustpotenzial bei den betroffenen

 

Mitarbeitern, verbunden mit massiven betriebswirtschaftlichen Reibungsverlusten,

 

welche – zumindest in diesem Ausmaß – vermeidbar

 

wären. Der Blick auf die Gesamtorganisation, die Berücksichtigung

 

struktureller, kultureller und personeller Themen sind vor diesem

 

Hintergrund sehr wichtig. Der Themenfokus kann sich dabei in den

 

einzelnen Phasen des Change-Prozesses ändern. "Insoweit

 

kommt der kritischen Auswahl bei der Inanspruchnahme professioneller

 

Unterstützung und Beratung große Bedeutung zu. Benötigt

 

werden Berater, die als professionelle Grenzgänger zwischen

 

den verschiedenen Welten ihre Kunden wirkungsvoll und autonomiefördernd

 

bei der Erreichung ihrer Ziele unterstützen", so das Plädoyer

 

von Franke.

 

 

Die Phasen eines Change-Prozesses

 
  1. Erstellung einer Organisationsdiagnose und Bildung von Hypothesen über Stärken, Schwächen, veränderungsfördernde und -hemmende Faktoren
  2. Festlegen der Zielrichtung: Wo wollen wir hin? (Vision, Strategie)
  3. Was soll geändert werden? Welche Ergebnisse sollen erzielt werden? (Struktur, Kultur)
  4. Wie sind die Rahmenbedingungen und die Einschätzungen, ob und wie sich diese ändern werden?
  5. Erstellen eine Masterplans für den Change-Prozess
  6. Realisierung der Maßnahmen und Stabilisierung der Ergebnisse
  7. genaues Beobachten des Change-Prozesses und gegebenenfalls Kurskorrekturen
 

 

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Optimal ist ein gut funktionierendes Berater-Netzwerk

 

 

Auf einen weiteren wichtigen Aspekt weist Dr. Berndt Einecker,

 

Unternehmensberater und Dozent für Unternehmensführung

 

an der FH Nürtingen-Geislingen, hin: "Große Beratungsfirmen

 

führen Change-Prozesse häufig mit sich ähnelnden

 

Konzepten durch und ziehen sich oftmals zu früh zurück.

 

Der Kunde bleibt dann manchmal schon direkt nach Ende der Implementierungsphase

 

allein zurück." Aber gerade im Spannungsfeld während

 

und nach einer Veränderung – sowohl bei der veränderten

 

Mitarbeiterstruktur als auch beim langfristigen Erfolgscontrolling

 

– benötigen Führungskräfte und Mitarbeiter noch

 

professionelle Hilfe. Doch auch Einzelkämpfern gibt der langjährig

 

erfahrene Organisationsentwickler und Coach keine Chance: "Ein

 

Change Manager als Einzelkämpfer ist schlecht ausgestattet",

 

so Einecker. Er empfiehlt stattdessen, auf ein gut funktionierendes

 

Netzwerk von Beratern zu achten, welches die verschiedenen Aspekte

 

eines Veränderungsprozesses abdecken kann. Dabei sind für

 

ihn die "Technos", die beispielsweise auf Organisationsstrukturen,

 

Finanzen und Geschäftsentwicklung spezialisiert sind, genauso

 

wichtig wie die "Psychos", die sich mit den weichen Faktoren

 

wie Mitarbeiterführung, Unternehmenskommunikation und –kultur

 

auseinandersetzen. Der Austausch unter Beratern in einem Netzwerk

 

helfe auch, Know-how über die eigene Profession auszutauschen

 

und befruchte zudem das aktuelle Projekt beim Kunden.

 

 

 

Ein Praxisbeispiel eines gelungenen Miteinanders beider Seiten

 

liefert Dr. Holger Steindorf, Manager bei DaimlerChrysler. Der Automobilkonzern

 

hatte bei einem großen Change-Management-Projekt 1996 im Bereich

 

der Nutzfahrzeuge von vornherein auf eine Mischung zwischen Kommunikationsprofis

 

und Geschäftsstrategen gesetzt. Keimzelle der Veränderung

 

bildete eine Gruppe aus Geschäftsführung, internen und

 

externen Beratern. Von Anfang an betrachtete die Projektgruppe sowohl

 

die emotionale Seite des Veränderungsprozesses als auch die

 

organisatorischen Konstellationen und nahm beides gleichermaßen

 

in Angriff. Eine gründliche Diagnose und ein Umsetzungsplan

 

waren wichtige Voraussetzungen für das Erreichen einer höheren

 

Wirtschaftlichkeit und effizienterer Kostenstrukturen. Die Geschäftsführung

 

legte großen Wert auf die gleiche Wellenlänge der Berater

 

aus verschiedenen Lagern. "Ohne kongruente Grundstruktur",

 

konstatiert DaimlerChrysler-Manager Steindorf, "wäre ein

 

reibungsloses Miteinander im CM-Prozess nicht möglich gewesen."

 

 

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Offene Kommunikationspolitik als gesunde Basis

 

 

Eine solche deckungsgleiche Grundstruktur erfordert zunächst

 

einmal Vorarbeiten im eigenen Haus: Die Veränderung muss von

 

der Management-Ebene getragen werden. In größeren Unternehmen

 

ergreift oft eine Stabsabteilung (Personalentwicklung oder Organisation)

 

die Initiative zu einem Change-Prozess. Diese Versuche scheitern

 

jedoch oft kläglich, wenn die Führungsriege nicht wirklich

 

dahintersteht. Intern müssen Ziele und Erwartungen definiert

 

sein, bevor der richtige Berater gefunden werden kann.

 

 

 

Auch während des Veränderungsprozesses ist Geduld erforderlich.

 

Die nötigen Effekte ergeben sich nicht innerhalb weniger Wochen.

 

Wandel im Unternehmen ist ein permanenter Prozess und darf unter

 

den heutigen Marktgegebenheiten nicht einschlafen.

 

 

 

Zudem dürfen die notwendigen Ressourcen nicht unterschätzt

 

werden: Die Verwirklichung einer Vision kostet Zeit und Geld. Veränderungen

 

rufen Widerstände bei den Mitarbeitern hervor, die erkannt

 

und ausgeräumt werden müssen. Berater können hier

 

unterstützend wirken, jedoch nicht zaubern. Eine offene Kommunikationspolitik

 

zwischen Geschäftsführung, Beratern und Mitarbeitern bildet

 

daher eine gesunde Basis für ein Change-Management-Vorhaben.

 

 

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Wie findet man den passenden Berater?

 

 

Wie findet ein Entscheider nun gezielt das Consulting-Unternehmen

 

mit der nötigen Allround-Kompetenz, das eine solche Basis mittragen

 

kann? Dr. Kraus rät bei der Auswahl eines Change-Management-Beraters,

 

zunächst auf die Persönlichkeit zu achten: Stimmt die

 

Chemie? Passt die Person zur Firmenkultur? Spricht der Consultant

 

eine klare Sprache? Verfügt er über ein breites und flexibles

 

Repertoire? Kann er glaubhaft eine Sicht auf die Gesamtorganisation

 

vermitteln?

 

 

 

Doch die Persönlichkeit des Beraters kann nicht allein das

 

Kriterium für die Auswahl sein. Langjährige Berufserfahrung

 

aus heterogenen Branchen eröffnet ein weites Sichtfeld der

 

Problemlage, während die Fokussierung auf eine Branche zu Betriebsblindheit

 

führen kann. Eine vielseitige Aus- und Fortbildung sowohl in

 

sozialer Kompetenz als auch im betriebswirtschaftlichen Bereich

 

ermöglicht einen ganzheitlichen Ansatz. Netzwerker und Teamplayer

 

mit starker sozialer Kompetenz sind eher für einen Veränderungsprozess

 

geeignet als reine Fachspezialisten. Ein Change-Management-Berater

 

sollte als Generalist die verschiedenen Disziplinen wirkungsvoll

 

integrieren können.

 

 

Checkliste zur Berater-Auswahl

 
  1. Klärung der Ziele und der eigenen Bedürfnislage: Welches Know-how wird benötigt, das Sie im eigenen Hause nicht oder nicht in ausreichendem Maße besitzen?
  2. Hat der Berater die nötige Kompetenz? Kennt er sich mit der speziellen Aufgabenstellung aus? (Branchenkenntnisse sind eher zweitrangig, da diese in Ihrem Haus vorhanden sind.)
  3. Verfolgt der Berater einen ganzheitlichen Ansatz und verfügt er über Kenntnisse sowohl im organisatorischen als auch im kulturellen Bereich?
  4. Welche ähnlichen Projekte hat der Berater durchgeführt? Lassen Sie sich Referenzen nennen! Scheuen Sie sich nicht, anzurufen und nachzufragen.
  5. Lassen Sie sich die Vorgehensweise schildern. Achten Sie auf die Schwerpunkte der Beratung.
  6. Wer führt den Auftrag durch? Nötigenfalls sollten Sie den Ansprechpartner vertraglich fixieren lassen. Sonst haben Sie eventuell den Profi das erste und letzte Mal bei den Akquisegesprächen gesehen und müssen sich während dem Rest des Projekts mit Newcomern ärgern.
 

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