2006/10 | Fachbeitrag | Wissensnetze

Theater im Unternehmen

von Markus Berg

Von Markus Berg

Inhaltsübersicht:

 

Seit 1997 haben Organisationen das Schauspiel als systematisches Kommunikationstool in der Personal- und Organisationsentwicklung schätzen gelernt. In den beiden folgenden Fallstudien lesen Sie, wie man Mitarbeitergespräche mit dem so genannten „UnternehmensTheater“ simulieren kann. 

 

Theater hat acht zentrale Eigenschaften:

 

1.         Es kann Menschen einen Spiegel vorhalten.

2.         Es kann als Mediationsinstrument dienen, um zwischen unterschiedlichen Einstellungen und Verhaltensweisen zu vermitteln.

3.         Es visualisiert Emotionen, die Veränderungsprozesse verlangsamen.

 

4.         Es kommt zu einer Interaktion mit den Zuschauern.

5.         Es bietet Veränderungsimpulse, da die Betroffenen zu „Coaches“ ihrer eigenen Situation werden.

6.         Es dient als Labor, um verschiedene Zukunftsszenarien auszuprobieren und deren Konsequenzen zu testen.

7.         Es fördert die Nachhaltigkeit.

 

8.         Theater macht Spaß. Und Lachen ist besonders in schwierigen und angespannten Situationen ein wichtiger Motivator, um wieder handlungsfähig zu werden.

 

„ChangeTheater“ zum simultanen „Mind-Change“

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Dabei können bis zu 400 Mitarbeiter und Führungskräfte gleichzeitig für die Notwendigkeit zur Veränderung sensibilisiert werden. Das „ChangeTheater“ greift hier vor allem emotionale Widerstände auf und wird in vier Phasen vollzogen.

Fallbeispiel 1: 450 Führungskräfte für neue Mitarbeitergesprächsleitfäden begeistern

 

 

Ein internationales Unternehmen will Mitarbeiter- und Zielvereinbarungsgespräche neu und weltweit einheitlich gestalten. Damit kein Widerstand gegen die Führungskräfte aufkommt, verinnerlichten  diese den Gesprächsleitfaden mit Hilfe von interaktivem „ChangeTheater“. Dazu gehörte auch, heikle Punkte, wie negative Potenzialeinschätzungen des Mitarbeiters durch den Vorgesetzten oder variable Vergütung für den Untergebenen ohne Beschädigung eines der Beteiligten, ansprechen zu können.

 

Kernstück des Veranstaltungskonzepts sind zwei Szenenplots: die „Potenzialeinschätzung des Mitarbeiters im Mitarbeitergespräch“ und das Thema „Ziele vereinbaren und bewerten“.

 

1) Sensibilisierung: Wie könnten Mitarbeitergespräche in naher Zukunft ablaufen?

 

Die von Schauspielern dargestellten Szenenplots führten zu heftigen Diskussionen im Auditorium, die sämtliche Widerstände und Verständnisschwierigkeiten des Neuen zur Sprache brachten. Aus den Diskussionen entwickelten die Teilnehmer verschiedene Vorschläge, die die Schauspieler auf der Bühne spontan umsetzten. Und sie verdeutlichten, wie erfindungsreich die Teilnehmer waren, unangenehme Themen aus den Gesprächen auszuklammern. Erst in dieser Auseinandersetzung wurde die Wirkung der durch den neuen Bogen bedingten Veränderung des Gesprächsablaufs deutlich.

2) Optimierung: Welche Einstellungs- und Verhaltensänderungen sind notwendig?

 

Mit diesen Eindrücken entwarfen die Teilnehmer neue Vorschläge für das weitere Verhalten der jeweiligen Protagonisten auf der Bühne.

3) Labor: Wie lassen sich Optimierungsideen umsetzen?

Diese wurden im Plenum miteinander abgeglichen und anschließend den Rollenfiguren auf der Bühne präsentiert. Doch zeigten sich nun die Rollenfiguren verwirrt: „So soll ich das jetzt umsetzen? Ich hatte es aber ganz anders verstanden.“ Anlass für die Verwirrung war der letzte Versuch, die neuen Abläufe durch „Hintertürchen“ zu umgehen. So konnten die Personaler gezielt auf Missverständnisse und Widerstände eingehen und damit „Hintertürchen“ verbarrikadieren.

 

4) Transfer: Was muss ich konkret ab morgen verändern?

Durch die Bühnenarbeit sahen die Verantwortlichen deutlich, wo die Stolpersteine für die Betroffenen liegen und was zu tun ist, um die Situation zu verbessern.

„SeminarTheater“ zur realitätsnahen Simulation anspruchsvoller Situationen

 

 

Selbsterkenntnis und die Bereitschaft zur Veränderung sind ein wesentlicher Meilenstein im Veränderungsprozess. Doch neben dem „Wollen“ ist auch das „Können“ der Betroffenen wichtig. So sind bei Mitarbeitergesprächen zum einen Wissen über Fragearten, Zieldefinitionen, Feedback wichtig. Zum anderen müssen die Führungskräfte natürlich fähig sein, dieses Wissen in der Praxis anzuwenden.

 

Das „SeminarTheater“ als „Unternehmenstheater im Trainingsformat“ simuliert deshalb anspruchsvolle Situationen des Berufsalltags.

 

Jedes „SeminarTheater“ wird von einem Kompetenztrainer und einem Simulationsspieler geleitet. Der Kompetenztrainer vermittelt methodisches und fachliches Know-how. Anschließend wenden die Teilnehmer das erworbene Wissen in maßgeschneiderten Fallstudien an. Ein professioneller Simulationspartner schlüpft in die Rolle verschiedener Mitarbeitertypen. 

 

Fallbeispiel 2: 15 Führungskräfte auf neue Mitarbeitergespräche vorbereiten

1) Workshop mit Führungskräften: In einem zweitägigen Workshop befassten sich die 15 Führungskräfte zunächst intensiv mit dem neuen Instrument, dessen Zielsetzungen, Nutzen und Grenzen. Sie machten sich mit den Kriterien des Mitarbeitergesprächs vertraut und erarbeiteten im Workshop Anregungen und Ergänzungen zum Entwurf des Leitfadens. Gemeinsam wurde „der EBV-Leitfaden“ diskutiert und anschließend verabschiedet.

 

2) „SeminarTheater“ mit Führungskräften: Einen Monat später schlüpften Schauspieler in die Rollen unterschiedlicher Mitarbeiter mit verschiedenen Verhaltensstilen.  Die Führungskräfte konnten sich so auf unterschiedliche Verhaltensweisen vorbereiten und passende (Re)Aktionsstrategien entwickeln.

 

3) „Coaching on request“ und Feedback der Mitarbeiter und Führungskräfte: Vor Beginn der ersten Gespräche gab es ein Trainingsangebot an die Führungskräfte, um letzte offene Fragen zu klären. Nach den Gesprächen gaben alle Beteiligten in einem Abschlussworkshop Feedback. So konnte man aus den Erfahrungen der Mitarbeiter und Führungskräfte Ideen und konkrete Punkte entwickeln und umsetzen.

 

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