2019/2 | Fachbeitrag | Leadership 2.0

Im digitalen Zeitalter wettbewerbsfähig bleiben – kreatives Führen ist der Schlüssel!

von Matthias Nolden, Prof. Dr. Martin Kaschny, Stephanie Kuhn

Inhaltsübersicht:

Wandel in der Arbeitswelt

Im Zuge der Digitalisierung verändern sich nicht nur die Arbeitswelt der Mitarbeiter, sondern auch die Dynamik im Unternehmen und vor allem die Führung. Daher gewinnen agile Methoden, wie z.B. Scrum, ShipIt Day oder Design Thinking immer mehr an Bedeutung. Auch wird es fortwährend schwieriger, eine klare Trennung zwischen Arbeit und Privatem zu finden. Primär die Generationen Y und Z erheben in der Art und Weise, wie sie geführt werden wollen, hohe Ansprüche. Beispielsweise scheint es so, dass die Generation Y auf der einen Seite eine internationale, teamorientierte und hierarchiefreie Zusammenarbeit favorisiert oder permanent Anerkennung erhalten möchte[1]. Auf der anderen Seite bevorzugt die Generation Z klar definierte Strukturen[2].

Führungspersönlichkeiten müssen daher mehr und mehr zu einem Coach und Mentor werden, der seinen kreativen Mitarbeitern auf Augenhöhe begegnet, um so bestmöglich innerhalb von gemeinsamen Prozessen für alle akzeptable Lösungen zu finden.

Aufgrund der Schnelllebigkeit und der sich stetigen Veränderungen können Aufgaben und Teamwork immer seltener langfristig geplant und müssen öfter durch kurze Interaktionen reguliert werden. Dies führt zu einer schrittweisen bzw. inkrementellen Planung, in der dennoch gewisse fixe Termine nicht aus den Augen gelassen werden dürfen, insbesondere innerhalb von Projekten.

Alle diese Aspekte führen zu einem Wandel in der Arbeitswelt und haben Auswirkungen auf die Führung von kreativen Mitarbeitern. Damit dieser Wandel vonstatten gehen kann, müssen Führungskräfte nicht nur offen für agile Methoden sein, sondern sich auch auf diese einlassen. Ebenso ist es wichtig, dass Führende ihren kreativen Mitarbeitern auch den Sinn für diese Veränderungen vermitteln. Daher sollte sich kreatives Führen auf den Umgang mit Unsicherheiten einlassen, keine Angst vor dem Experimentieren haben, aber gleichzeitig Regeln als auch Rahmenbedingungen aufstellen.

Herausforderungen

Dieser Wandel in der Arbeitswelt, verbunden mit den neuen Erwartungen und Ansprüchen, erzeugt vielfältige Herausforderungen für die Führungspersönlichkeit. So müssen zunächst vor allem die etablierten starren Strukturen aufgebrochen werden, um neuen Raum für agile Methoden zu schaffen und somit Kreativitätsprozesse anzuregen. Es reicht z.B. nicht, Design Thinking Schulungen durchzuführen und einige Sprints zu planen. Die gesamte Unternehmenskultur muss sich in Richtung agile Strukturen verändern und entsprechende Freiräume schaffen. Es gilt auch mit der entstehenden zunehmenden Komplexität von Aufgaben und beschleunigten Prozessen zurechtzukommen. Hieraus ergibt sich, dass Führungskräfte eine Vernetzung zwischen dem operativen Tagesgeschäft und den agilen Methoden sowie Arbeitsabläufen erzielen müssen. Gleichzeitig müssen Führende lernen, dass sie in einer Interaktion mit ihren Geführten sind und sich somit auf Augenhöhe begegnen. Es muss für kreative Mitarbeiter verstärkt ein Arbeitsumfeld geschaffen werden, indem sie ihr Potenzial gewinnbringend einsetzen können und auch Fehler machen dürfen. Entscheidend hierbei ist primär, dass zwischen Führungskraft und den kreativen Mitarbeitern eine Vertrauenskultur herrscht.

Da viele kreative Ideen nicht nur während der Arbeitszeit entstehen, sollten Räume geschaffen werden, die einen Ideenaustausch fördern. Hierbei kann z.B. über physische Räumlichkeiten gesprochen werden, aber auch über gesetzte Zeiträume, in denen agile Methoden angewandt werden. Vor allem das Übermitteln von zeitnahem, umfassendem und wertschätzendem Feedback ist bedeutend für die betreffenden Mitarbeiter. Zudem sollte an ein Umdenken bezüglich der Arbeitszeiten je nach Generation gedacht werden, da es unter anderem so scheint, dass die Generation Z mehr Wert auf geregelte Arbeitszeiten legt, im Gegensatz zur Generation Y, die flexible Arbeitszeiten vorzieht.

Allerdings führen die mobilen und flexiblen Arbeitsformen weltweit zu einer zunehmenden Kommunikation auf allen betrieblichen Ebenen und in den sozialen Netzwerken. Daher sollten klare Absprachen getroffen werden, auf welche Art und Weise, wie und wann Informationen innerhalb des Unternehmens verteilt werden und wie grundsätzlich kommuniziert wird. Dies schließt auch den Umgang mit firmenvertraulichen Informationen ein.

Zusätzlich ist auf den richtigen Mix von Teams zur Förderung der Kreativität zu achten. Die größte Herausforderung besteht letztendlich darin, durch Schaffung von Vertrauen und der Vermittlung von Orientierung eine werteorientierte, agile und kreative Führung zu erreichen. Die nachfolgende Tabelle zeigt sowohl die Veränderungen für die Führung, als auch die Folgen für die Führungspersönlichkeit auf, die die Digitalisierung als auch die steigernde Vernetzung mit sich bringen.

Digitalisierung und Vernetzung

Veränderungen und Folgen für die Führungspersönlichkeit und dessen Führung

Entscheiden und Verantwortung übernehmen

 
  • Verantwortung für alleinige Entscheidungen nehmen ab
  • Kognitive Belastung nimmt ab
  • Transparentere Datenverbindung
 

Delegieren

  • Aufwand für Delegation wird reduziert
  • Vertrauen in die Mitarbeiter ist erforderlich
  • Zugriff auf Daten von überall
 

Kontrollieren und Steuern

 
  • Kontroll- und Steueraufwand nimmt ab
  • Durch dauerhafte Erreichbarkeit wird die Kontrolle und das Steuern orts- und zeitunabhäniger
 

Informieren und Kommunizieren

 
  • Geringerer Aufwand bei der Verbreitung von Wissen und Informationen
  • Leichtere und direktere Kommunikation durchführbar
  • Wesentliche, digitale Bereitstellung von Informationen
 

Neue Kompetenzen

 
  • Ausbildung für neue Kompetenzen erwirken
  • Diese den Mitarbeitern vermitteln
 

Agilität

 
  • Abgeben von Handlungs- und Entscheidungsspielräumen
  • Umgehendes reagieren auf Mitarbeiteranliegen
  • Zeitnahes Feedback
  • Flexibilität
 

Ein neues Führungsverständnis

Damit Führungspersönlichkeiten die zukünftigen Herausforderungen bewältigen können, müssen sie ihr Verhalten anpassen. Sie sollten die Rolle des „Ermöglichers“, Koordinators und Motivators einnehmen. Notwendig ist vor allem ein Klima der Offenheit und Unterstützung. Des Weiteren muss die Führungskraft bereit sein, mit Widersprüchen seitens der Mitarbeiter umgehen zu können und mögliche Fehlentscheidungen mittragen. Weitere Eigenschaften sind Offenheit für Veränderungen, Förderung von Diskursen, Steigerung von Freiräumen der Mitarbeiter sowie die Akzeptanz deren Risikobereitschaft. Somit muss auch ein Scheitern von Ideen zugelassen werden.

Aufgrund der neuen Technologien wird Führung zunehmend auf virtueller Basis stattfinden und fordert die Führenden dazu auf - vor allem in Teams - wechselnde Rollen einzunehmen.

Somit sollten kreative Führungspersönlichkeiten revolutionäre Ideen willkommen heißen, aus vorangegangenen Fehlentscheidungen lernen, Flexibilität und Geduld mitbringen sowie ihre kreativen Mitarbeiter ermutigen, festgetretene Pfade zu verlassen. Folglich haben kreativ Führende den Anspruch auf eine experimentierfreudige Umgebung, sind aufgeschlossener und umso ideenreicher, je mehr sie neue Führungs- und Kommunikationsstile anwenden können. Diese neuen Führungs- und Kommunikationsstile sollten vor allem im Austausch mit den neuen Generationen von kreativen Mitarbeitern, Partnern und Kunden verwendet werden, um das Unternehmen im Zeitalter der Digitalisierung konkurrenzfähig zu halten.

Neue Führungsansätze

Vorgesetzte können ihren kreativen Mitarbeitern gegenüber nur gerecht werden, wenn sie ihren Führungsstil auf die jeweilige Situation anpassen. Hierbei kann vor allem die ambidextre Führung, also die „beidhändige Führung“, eine gute Möglichkeit bieten, um im digitalen Zeitalter kreativ führen zu können. Die Führungskraft sollte einerseits eine offene Haltung gegenüber der Förderung von Exploration und Kreativität haben. Dies bedeutet, Freiräume für eigene Ideen zu schaffen und Autonomie sowie Fehler und Risiken zuzulassen. Das kreative Denken führt zugleich zu einer Begeisterung sowie zu einer Flexibilität, auf neue Anforderungen einzugehen. Auf der anderen Seite muss die Führungskraft die Exploitation, also die Förderung der Umsetzung von Ideen, durch Routinetätigkeiten und Vermeidung von Fehlern etablieren. Erfahrungsgemäß gibt Routine den kreativen Mitarbeitern die gewünschte Sicherheit. Auch soll hierbei das vorhandene Potential ausgeschöpft werden. Herausforderung dabei ist, je nach Situation flexibel zwischen beiden Führungsstrategien zu wechseln, um bestmöglich einen Kreativitätsprozess zu fördern.

Allerdings ist nicht nur die Art der Führung ausschlaggebend für die Entstehung und Entwicklung von Innovationen. Immer mehr öffnen sich die Wertschöpfungsketten und die Innovationsprozesse von Unternehmen. Es bilden sich vermehrt Netzwerkstrukturen, wodurch nicht nur die internen Netzwerke an Bedeutung gewinnen, sondern auch die externen. Kreative Führungspersönlichkeiten sollten aufgrund der zunehmenden Wichtigkeit von Kreativität, gerade im Zeitalter der Digitalisierung, als Netzwerker in beide Richtungen aktiv sein. Durch die Einführung von internen als auch externen Netzwerken erfolgt ein stetiger Zuwachs an Wissen. Interne Netzwerke (z.B. das Intranet) dienen vor allem kreativen Mitarbeitern, ihre kreativen Ideen den Kollegen zu präsentieren und gleichzeitig Feedback zu erhalten. Als Pendant dazu sollten externe Netzwerke, wie z.B. ein spezielles Ideenportal bereitgestellt werden, um Kunden zur Einreichung von kreativen Ideen oder Verbesserungsvorschlägen zu animieren.

Verankerung im Unternehmen

Damit Kreativität im Unternehmen verankert werden kann, sollte diese aktiv vorangetrieben werden. Dazu zählt insbesondere, dass die Führungskraft sich zunächst selbst auf den digitalen Wandel einstellen muss, bevor sie diesen an ihre kreativen Mitarbeiter weitergibt. Ebenso braucht es ein hohes Maß an Flexibilität und eine ausgeprägte Lernkultur. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass innerhalb des Unternehmens eine transparente Kommunikation stattfindet und die kreativen Mitarbeiter mehr in Entscheidungsprozesse einbezogen werden.

Gleichzeitig sollte bei der Verankerung von agilen Methoden ein Umdenken stattfinden. So ist beispielsweise Design Thinking, wie bereits oben erwähnt, nicht nur als reiner Prozess anzusehen, sondern eher als eine (Führungs-)Kultur, um Kreativität zu fördern. An erster Stelle sind hier die kreativen Mitarbeiter gefragt, die Design Thinking in ihren Alltag integrieren müssen und diese Technik somit zu einer Lebenseinstellung werden lassen. Dies muss aber durch die Führungskräfte, z.B. in Form von Freiräumen, zugelassen werden. Dadurch wandelt sich Design Thinking hin zu Design Doing bzw. Design Being.

Fazit

Ob sich der Wandel von der traditionellen Führung hin zur neuen Führung kreativer und innovativer Mitarbeiter bewerkstelligen lässt, hängt zum einen vom Unternehmen und zum anderen von den Führungskräften ab. Hier stellt sich primär die Frage, ob sowohl das Unternehmen als auch die Führungspersönlichkeit bereit sind, sich auf die neuen Bedingungen einzulassen. Der Grund hierfür ist: Führende müssen vermehrt als Mentoren und Coaches agieren und den kreativen Mitarbeitern mehr Selbstorganisation und Eigenverantwortung überlassen. So lässt sich zukünftig Kreativität als Schlüsselkompetenz besser nutzen.

Quellen

  • Blatt, Markus, und Emmanuel Sauvonnet 2017. Wo ist das Problem? Mit Design Thinking Innovationen entwickeln und umsetzen. 2. Aufl., München: Vahlen
  • Franken, Swetlana 2016. Führen in der Arbeitswelt der Zukunft: Instrumente, Techniken und Best-Practice-Beispiele. Wiesbaden: Gabler
  • Gebert, Dieter, und Eric Kearney 2011. Ambidextre Führung: Eine andere Sichtweise. In Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, Volume 55, Nr. 2, 74 - 87.
  • Hart, Archibald, und Sylvia Hart Frejd 2013. The Digital Invasion: How Technology is Shaping You and Your Releationships. Baker Books.
  • Liebermeister, Barbara 2017. Digital ist egal: Mensch bleibt Mensch – Führung entscheidet. 1. Aufl., Offenbach: GABAL.
  • Otto, Christian und Sabine Remdisch 2015. Arbeitgeberattraktivität aus der Perspektive unterschiedlicher Mitarbeitergenerationen. In Rekrutierung in einer zukunftsorientierten Arbeitswelt. Hrsg. Hartmann, Michaela, 47-68, Wiesbaden: Gabler
  • Reinhart, Gunther, Klaus Bengler, Christiane Dollinger, Carsten Intra, Christopher Lock, Severina Popova-Dlogosch, Christoph Rimpau, Jonas Schmidtler, Severin Teubner, und Susanne Vermin 2017. Der Mensch in der Produktion von Morgen. In Handbuch Industrie 4.0: Geschäftsmodelle, Prozesse, Technik, Hrsg. Gunther Reinhart, 51-88, München: Carl Hanser.

[1] Vgl. Otto und Remdisch 2015, S.53.

[2] Vgl. Franken 2016, S.105.

 

 

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