2001/11 | Fachbeitrag | Strategieverwirklichung

Strategien erfolgreich verwirklichen

von Armin Anwander

 

Von Armin

 

Anwander

 

 

Inhaltsübersicht:

 

 

 

Viele Untersuchungen

 

zeigen, dass die meisten Organisationen ihre fundamentalen Strategien

 

recht klar benennen können. Doch in der Praxis gelingt es nur

 

gut einem Drittel, aus diesen Strategien tatsächlich alltägliches

 

Handeln abzuleiten. Unternehmen, die kontinuierlich an der Spitze

 

ihrer Branche stehen, profitieren offensichtlich viel weniger von

 

der Genialität einzelner Konzepte als von den tief in der Organisation

 

verborgenen Fähigkeiten zur Strategieverwirklichung. Diese

 

Kräfte machen insbesondere dann den Unterschied aus, wenn die

 

ganze Branche erkannt hat, was man tun sollte. Denn die erfolgreiche

 

Organisation weiß auch, dass man es tun will und wie man es

 

tun kann.

 

 


Schneller, konsequenter, flächendeckender und nachhaltiger

 

 

Wer seine Strategien schneller, konsequenter, flächendeckender

 

und nachhaltiger verwirklichen will, verknüpft verschiedene

 

Aspekte:

 

 

  • Strategiefindung und Strategierealisierung werden über alle Ebenen der Organisation hinweg integriert.
  • Das Individuum und das Zusammenwirken der Akteure in der Organisation werden als Wesenskern jeglicher Entwicklung begriffen.
  • Ein klares Zukunftsbild sorgt für den Leitstern auf dem Entwicklungspfad. Die Dynamik der Beteiligten wird in die Vorwärtsbewegung auf diesem Weg gelenkt und nicht auf das Hin- und Herspringen von der einen zur nächsten Management-M(eth)ode.

 

 

Die im Folgenden vorgestellten Navigationsinstrumente der Strategieverwirklichung

 

zeigen, wie eine Führungsmannschaft Schritt für Schritt

 

vom Aufbruch aus einer alten bis hin zur Selbstverständlichkeit

 

einer neuen Welt gelangt. Sie helfen, den eigenen Standort zu bestimmen,

 

das Umfeld einzuschätzen und zu entscheiden, in welche Richtung

 

und wie man am besten voranschreitet.

 

 

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Die Navigationsinstrumente der Strategieverwirklichung

Landkarten, die auf Erklärungsansätzen der Forschung und praktischer Beratungsarbeit beruhen, verdeutlichen folgende Zusammenhänge:

  • Die Landkarte des Akteurs zeigt, wie die Motivation von Akteuren entsteht, wie sie handeln und lernen.
  • Die Landkarte der Organisation hilft, das Zukunftsbild der Organisation und der Organisationseinheiten aufzubauen und zu verfolgen.
  • Die Landkarte des Handelns veranschaulicht, welche Verbindungen von Organisation, Organisationseinheiten und Akteuren beim Übergang von einer alten in eine neue Welt aufzulösen und neu zu bestimmen sind.
  • Die Landkarte der Strategieverwirklichung enthält die Phasen und Portale der Strategieverwirklichung und verdeutlicht so die wichtigsten Herausforderungen auf dem Entwicklungspfad.

Die in den Landkarten vorgestellten Schlüsselfragen und Stationen sind besonders hilfreich, um den eigenen Standort zu bestimmen, das Umfeld einzuschätzen und zu wissen, in welche Richtung und wie man am besten voranschreitet. Für die Führung bedeutet dies, dass sie Inhalte und Stationen der Strategieverwirklichung systematisch planen und aufeinander abstimmen kann.

 

 

 

 

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Die Landkarte des Akteurs

 

 

Da es letztlich immer die Menschen sind, die das Zukunftsbild für

 

das Unternehmen erfinden und dieses dann in alltägliches Handeln

 

umsetzen, ist es nur konsequent, dass das erste Navigationsinstrument

 

die Strategieverwirklichung aus der Sicht des Akteurs betrachtet.

 

 

 

Nur wenn es gelingt, die individuellen Ziele mit denen der Organisation

 

in Einklang zu bringen, können positive Impulse für die

 

weitere Entwicklung des Unternehmens entstehen. Daraus resultiert

 

die fundamentale Fragestellung: Was könnte einen Akteur dazu

 

bringen, sich selbst so weiter zu entwickeln und zu verhalten, dass

 

es für die Organisation von Nutzen ist?

 

 

 

Die Antwort liefert die Landkarte des Akteurs. Sie verdeutlicht,

 

wie die Motivation von Akteuren entsteht, weshalb sie handeln und

 

was ihr Lernen steuert. Die Entscheidung des Einzelnen, sich aktiv

 

an der Strategieverwirklichung zu beteiligen, bleibt hier kein einmaliger

 

Akt. Vielmehr entsteht diese Überzeugung in einer Vielzahl

 

kleiner Lernschritte auf dem Entwicklungspfad. Offensichtlich gilt

 

die Landkarte des Akteurs über alle Hierarchien hinweg: vom

 

Mitarbeiter am Fließband bis hin zur Top-Führungskraft.

 

Im rauen Gegenwind des Alltags werden Strategien konsequent ausgefiltert.

 

Nur, was von einer Vielzahl der Beteiligten als nützlich und

 

sinnvoll angesehen wird, überlebt den langen Marsch durch die

 

Hierarchie.

 

 

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Die Landkarte der Organisation

 

 

Sinnvolles Handeln benötigt jedoch auch eine Richtung. Die

 

Schlüsselfragen im zweiten Navigationsinstrument der Strategieverwirklichung,

 

der Landkarte der Organisation, helfen, das Zukunftsbild einer Organisation

 

zu entwerfen und nach und nach zu verfeinern. Stehen beim Entwurf

 

dieses Bildes einzelne Management-Methoden zu stark im Mittelpunkt,

 

entstehen oft Schwerpunkte, die bereits nach wenigen Jahren einen

 

gegenteiligen Ansatz herausfordern. So folgt auf Mischkonzerne,

 

die Synergien ausschöpfen sollen, die Zerschlagung der entstandenen

 

Moloche in fokussierte Unternehmen. Phasen der Zentralisierung wechseln

 

mit der Aufforderung zur Dezentralisierung ab. Und der Schrei nach

 

einer Unternehmenskultur, in der das menschliche Miteinander den

 

Erfolg produziert, wird vom harten Shareholder-Kurs abgelöst,

 

der die Interessen der Aktionäre in den Mittelpunkt stellt.

 

 

 

Die kurze Halbwertszeit der Methoden führt oft dazu, dass

 

der neueste Ansatz den Vorgänger bereits ablöst, bevor

 

dieser zu den versprochenen Auswirkungen im Alltag geführt

 

hat. Dies geschieht meist in einem Umfeld, in dem Führungskräfte

 

und Mitarbeiter für Rastlosigkeit und nicht für wahrnehmbare

 

Erfolge honoriert werden.

 

 

 

Nach und nach ergibt sich so eine fundamentale Gefahr, die ein

 

Unternehmen auf Dauer blockieren kann. Wenn jede Methode als neuer

 

strategischer Ansatz missinterpretiert wird, geht die eigene Ausrichtung

 

im Wirrwarr der Methodenvielfalt unter. Dann verlieren Führungskräfte

 

und Mitarbeiter die Chance, die Früchte ihrer Arbeit auch einmal

 

zu ernten. Sie werden immer frustrierter und zunehmend setzt sich

 

eine breite Veränderungsresistenz bei allen Beteiligten durch.

 

Im Ergebnis entsteht eine Organisation, die verbal zwar jeweils

 

die neueste Methode propagiert, sich mit der Umsetzung jedoch so

 

lange Zeit lässt, bis die nächste am Horizont erscheint.

 

Und in aller Regel brauchen die Akteure darauf nicht all zu lange

 

zu warten.

 

 

 

Die Landkarte der Organisation empfiehlt deshalb eine ausgewogene

 

und vernetzte Betrachtung verschiedener Schwerpunkte:

 

 

  • die Sicht der Kunden
  • die Markt-Leistungsbeziehungen und die Wettbewerbsverhältnisse
  • die Fähigkeiten zur Leistungserbringung
  • die Sicht der Investoren

 

 

Aus diesem Blick ergibt sich ein ausbalanciertes Zukunftsbild,

 

das beschreibt,

 

 

  • wozu es die Organisation gibt und wodurch sie sich auszeichnet
    (Geschäftssystem)
  • wie das Unternehmen etwas macht, um für Kunden, Mitarbeiter und Investoren attraktiv zu sein und zu bleiben
    (Handlungssystem)
  • wie die Organisation erkennt, ob ihr Tun erfolgreich war
    (Feedbacksystem)

 

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Die Landkarte des Handelns

 

 

Damit aus dieser neuen Welt irgendwann Realität wird, muss

 

sich die Organisation in Bewegung setzen und neue Kompetenzen erwerben.

 

Hier kommt es ganz wesentlich darauf an, welche Antworten die Führungsmannschaft

 

auf bestimmte organisatorische Fragestellungen gibt.

 

 

 

Genau diese Schlüsselfragen beinhaltet die Landkarte des Handelns.

 

Sie schlägt die Brücke vom Zukunftsbild der Organisation

 

zum alltäglichen Handeln des Akteurs. Nur, wenn dieser erlebt,

 

dass strategiegemäßes Handeln tatsächlich gewollt

 

ist, wird er seine Aktivitäten in eine neue Richtung lenken.

 

 

 

Das eigentliche Problem dabei ist, dass es die alte Welt gibt,

 

deren Vielfalt von Ankerpunkten jetzt aufgelöst und neu definiert

 

werden muss. Deutungsmuster und Denkmodelle, Abläufe, Strukturen,

 

Rollenbilder, Professionen, Ressourcen sowie Führungs- und

 

Bewertungssysteme – der Wille zur Transformation kann an vielen

 

Stellen konterkariert werden.

 

 

 

Gerade die Erfolgsrezepte der alten Welt können von einem

 

Tag auf den anderen zu Barrieren für neues Verhalten werden.

 

Denn durch die neue Ausrichtung werden oftmals bisher als nützlich

 

angesehene Weltbilder, Fähigkeiten und Verhaltensweisen plötzlich

 

zu Behinderungen umgedeutet.

 

 

 

Führungskräfte sollten entsprechende Aussagen von Mitarbeitern

 

auf dem Entwicklungspfad deshalb nicht als Widerstand bekämpfen,

 

sondern als Ablösungs- und Verarbeitungsmechanismen für

 

kognitive Dissonanzen erkennen und anerkennen. Dabei ist auch Bewährtes,

 

selbst wenn es jetzt aufzugeben ist, ausreichend zu würdigen.

 

Dann kann sich die Organisation samt ihren Akteuren voller Engagement

 

den neuen Herausforderungen auf dem Entwicklungspfad widmen.

 

 

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Die Landkarte der Strategieverwirklichung

 

 

Dieser Entwicklungspfad ist kein geradliniger Weg von A nach B.

 

Mitunter ist es eher eine holprige und langwierige Strecke, die

 

vom Bild der künftigen Organisation bis hin zum Handeln im

 

Alltag führt. Wer Erfahrungen mit solchen Prozessen hat, weiß,

 

dass es sich dabei jedes Mal um eine einmalige Erfahrung handelt.

 

Schließlich geht es um Innovationen, die unter ganz spezifischen

 

Voraussetzungen im jeweiligen Unternehmen aufblühen und dann

 

verbreitet werden müssen. Es gibt daher keine Allzeit-bereit-und-überall-anwendbar-Rezepte.

 

Doch es gibt Denkmodelle und Werkzeuge, die die Erfolgswahrscheinlichkeit

 

der eigenen Anstrengungen deutlich erhöhen.

 

 

 

Besonders irritierende Effekte auf dem Entwicklungspfad treten

 

dann auf, wenn Initiativen und Methoden, die zu einem Zeitpunkt

 

wirksam waren, in einer anderen Situation zu Unruhe und Frustration

 

führen. Ganz offensichtlich liegt dies daran, dass sich die

 

Erwartungen und Verhaltensweisen der Akteure auf dem Weg in die

 

Zukunft verändern. Damit ein adäquates Vorgehen und die

 

Koordination für die Führung erleichtert werden, empfiehlt

 

es sich, den Entwicklungspfad in folgende Phasen zu gliedern:

 

 

  • Orientierung schaffen
  • Bewegung erzeugen
  • Handeln intensivieren
  • Selbstverständlichkeit erzielen

 

 

Den einzelnen Phasen lassen sich bestimmte Herausforderungen zuordnen,

 

die auf dem Entwicklungspfad zu meistern sind. Die Landkarte der

 

Strategieverwirklichung veranschaulicht die Phasen und die dazugehörigen

 

Herausforderungen, die man symbolisch als Portale, die es auf dem

 

Entwicklungspfad zu durchschreiten gilt, verstehen kann. Ein Verwirklichungsmanagement

 

rundet diesen Kanon schließlich ab. Es übernimmt die

 

Aufgabe, den gesamten Prozess so weit wie möglich zu steuern

 

und durch geeignete Impulse voranzubringen. Für jede einzelne

 

Herausforderung kann nun das Zusammenspiel der Navigationsinstrumente

 

genutzt werden, um ein wirkungsvolles Vorgehen zu bestimmen.

 

 

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Die Phasen und Portale der Strategieverwirklichung

 

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Kommunikation ausrichten

 

 

Am Beispiel "Kommunikation ausrichten", einem Portal

 

aus der Phase "Orientierung schaffen", sei das Vorgehen

 

abschließend beispielhaft verdeutlicht. Ziel der Kommunikation

 

ist es, Akzeptanz, Beteiligung und schließlich Commitment

 

zu schaffen. Dazu braucht es eine klare Richtung für die Kommunikationsanstrengungen

 

auf dem Entwicklungspfad. Ebenso müssen die Inhalte phasengerecht

 

aufbereitet werden.

 

 

 

Mit Hilfe der Landkarte des Akteurs wird erhoben, wann welche Fragen

 

zu beantworten sind. In einer frühen Phase wird es den Akteur

 

etwa stärker interessieren, welchen Nutzen er von seiner Mitarbeit

 

hat und ob die Führung die neue Strategie wirklich mit Nachdruck

 

verfolgt. Später benötigt er dann eher konkrete Hilfen,

 

die sein Handeln im Alltag möglich machen und bestärken.

 

Damit Handeln letztlich sinnvoll wird und um Motivation für

 

neue Entwicklungspfade aufzubauen, ist schließlich über

 

die erzielten Verbesserungen und Erfolge zu berichten.

 

 

 

Die Landkarte der Organisation, die unter anderem das Geschäfts-

 

und das Handlungssystem enthält, liefert die wesentlichen Inhalte

 

für die Kommunikation. Besonders wichtig ist es, einen Informationskern

 

zu bestimmen, der auf dem gesamten Entwicklungspfad und über

 

alle hierarchischen Ebenen hinweg als roter Faden dient.

 

 

 

Mit der Landkarte des Handelns und der Landkarte der Strategieverwirklichung

 

wird dann untersucht, wie durch die Vernetzung der einzelnen Kommunikationsimpulse

 

eine Erfolgsstory für die Akteure entstehen kann. Dieses dramaturgische

 

Gerüst, die Voraussetzungen, Inhalte und Formen gehen dann

 

in einen Kommunikationsguide ein, der als Grundlage für die

 

Aktivitäten in den folgenden Phasen dient.

 

 

 

Gleich, ob es in der Phase "Bewegung erzeugen" darum

 

geht, Promotoren einzubinden oder ob Strategie-Dialoge in der Phase

 

"Handeln intensivieren" gezielt geführt werden –

 

die von der Führung ausgesandten Impulse lenken die Wahrnehmung

 

und Motivation in eine gemeinsame Richtung.

 

 

 

Wie für "Kommunikation ausrichten" können auch

 

für die anderen Portale die Herausforderungen und das jeweils

 

Erfolg versprechende Vorgehen systematisch abgeleitet und als Handlungsempfehlung

 

für die Praxis genutzt werden. Die Führungsmannschaft

 

profitiert damit von einem überschaubaren und zugleich hoch

 

wirksamen Handwerkszeug, das genutzt wird, um die Erfolgsfaktoren

 

der Strategieverwirklichung effektiv zu steuern. So werden die Ressourcen

 

der Organisation zielsicher eingesetzt, um auch dann noch mit entscheidenden

 

Wettbewerbsvorteilen zu glänzen, wenn alle Kontrahenten ähnliche

 

Strategien verfolgen.

 

 

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Literatur

 

 

Anwander, Armin: Strategien

 

erfolgreich verwirklichen. Wie aus Strategien echte Wettbewerbsvorteile

 

werden. Berlin, Heidelberg, New York 2000.

 

 

 

 

 

 

 

 

Zum Weiterlesen:

Mehr zum Thema Strategieverwirklichung erfahren Sie in Heft 6 November 2001 von wissensmanagement – Das Magazin für Führungskräfte: In seinem Beitrag "Das ABC der Strategiekommunikation" zeigt Markus Erle, wie gezielte Kommunikationsimpulse bei Veränderungsprozessen helfen, die Lücke zwischen einer Idee und ihrer Realisierung zu schließen.

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