2008/2 | Editorial | Wissensmanagement

Wer sucht, der findet zu viel

von Oliver Lehnert

Noch in unserer Elterngeneration galt das Sprichwort „Wer sucht, der findet“ als Schlüssel zu verborgenen Informationen. Ein Blick ins Lexikon oder in den aus Karteikarten bestehenden Stichwortkatalog der Städtischen Bibliotheken brachte Aufschluss über die Fragen des Lebens. Heute hat das Internet die althergebrachten Recherchemethoden nahezu vollständig abgelöst. War es zunächst bequem, nur einen Mausklick vom Wissen der Welt getrennt zu sein und jederzeit weltweit darauf zugreifen zu können, zeigten sich in den vergangenen Jahren zunehmend auch die Schattenseiten des World Wide Webs: Immer mehr (redundante) Informationen machen die Suche nach dem gewünschten Detail zum Kampf von David gegen Goliath. Der Einzelne tritt an gegen die Informationsflut der Erde. Auf den eingegebenen Suchbegriff erhält er mitunter eine dutzende Seiten lange Trefferliste mit hunderttausenden Verweisen zur möglicherweise richtigen Antwort. Mit viel Geduld und etwas Glück entdeckt er neben toten Links und Dokumenten, die auf den ersten Blick nichts mit seiner Suchanfrage gemein haben, auch die ein oder andere Information, die ihn weiter bringt - wenn nicht zur richtigen Antwort, dann zumindest zu einem neuen Suchbegriff, mit dem er seine Anfrage verfeinern kann. Allmählich tastet er sich so an die gewünschte Information heran. Wäre da der Weg zu nächsten Stadtbibliothek nicht effizienter gewesen?

Auch Suchmaschinenanbieter haben dieses Problem längst erkannt und versuchen, darauf zu reagieren. Sowohl im Internet als auch in unternehmensweiten Intranet- und Portallösungen setzt man daher auf semantische Technologien. Sie versprechen, den Inhalt von Web-Seiten zu „verstehen“ und so auf Anhieb genau die Information zu liefern, die der Suchende gerade benötigt. Sie erkennen, dass es zwischen der Bank als Geldinstitut und der Bank als Sitzmöbel einen Unterschied gibt und verknüpfen mit Ersterem Begriffe wie Aktien und Finanzen - auch wenn diese Wörter nicht Teil der Suchanfrage sind.

Die Möglichkeiten der semantischen Suche klingen viel versprechend - doch noch haben sie das Internet nicht revolutioniert. Der Grund dafür liegt unter anderem in der Umsetzung. Semantische Verknüpfungen und Ontologien mussten bisher größtenteils händisch erstellt werden. Auch die Verbindung mit Thesauri und anderen Wörterbüchern brachte hier nur eine geringe Erleichterung. Eine technische Lösung bieten nun zunehmend statistische und andere mathematische Verfahren, die eine automatische Kategorisierung und selbstlernende Systeme realisieren sollen. Wie das funktioniert und welche Chancen sowie Risiken damit verbunden sind, erfahren Sie in dieser Ausgabe von wissensmanagement - Das Magazin für Führungskräfte ab Seite 18. Auf dass das Sprichwort „Wer sucht, der findet“ bald wieder seine Berechtigung zurückgewinnt!

Ihr

Oliver Lehnert

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren