2019/1 | Editorial | Demografie

Digitalisierung, Demografie und die Ressource Wissen: Was kommt auf uns zu?

von Oliver Lehnert

2019 könnte zu einem wahren Digitalisierungsjahr werden. Die Bundesbürger sind künstlicher Intelligenz und ihrem Einsatz im Alltag so aufgeschlossen wie nie zuvor. Sie können sich den Einsatz erstmals flächendeckend vorstellen – vom Gesundheitswesen über die Polizeiarbeit bis hin zur intelligenten Verwaltung. Sogar für innovative Transportmittel, wie dem Hyperloop, sind sie aufgeschlossen. Die steigende Akzeptanz – und wahrscheinlich auch Neugier – trifft zeitlich mit einer neuen Ausbaustufe digitaler Lösungen zusammen. Das hat weitreichende Folgen und gibt einen Vorgeschmack auf den gesellschaftlichen Wandel, der uns bevorsteht. Wer hätte vor wenigen Jahren gedacht, dass die Detroit Auto-Show 2019 ums Überleben kämpfen muss? Und zwar nicht weil niemand mehr Pkw fährt, son-dern weil sich die Hersteller mittlerweile eher auf Digitalisierungs- und Zukunftsevents zu Hause fühlen.

In der Gesellschaft kommt es, das zeigt das Beispiel von Detroit, zu signifikanten Verschiebungen. Diese sind zunächst ganz wertfrei weder gut noch schlecht. Vielmehr fordern sie ein agiles Mindset – das im digitalen Wandel ja ohnehin zum Standardrepertoire gehören sollte. Wer sich auf bereits Er-reichtem ausruht, wird über kurz oder lang scheitern. Die Auto-Show in Detroit hat einen Warnschuss erhalten. 2020 wird sich zeigen, ob die Verantwortlichen es geschafft haben, die Weichen neu zu stellen. Wachgerüttelt sind die Veranstalter auf jeden Fall. Sie schaffen als erste Maßnahme künftig zeitlichen Abstand zur International Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas. Diese zeigte kürzlich, welche Trends unsere Zukunft bestimmen werden. Dazu zählt intelligente Logistik ebenso wie smarte Medizin. Für Aufsehen sorgten der ausrollbare Fernseher und Smartphones bzw. Tablets mit flexiblen Displays. Auch autonome Mobilitätskonzepte und Autos – Stichwort Detroit – gehörten zu den Highlights und geben einen Vorgeschmack, wie wir künftig leben und arbeiten werden.

Fest steht: Intelligente Assistenzsysteme übernehmen schon jetzt in stetig wachsendem Umfang eine Unterstützerfunktion. Das macht vielen Angst, zumindest im beruflichen Umfeld. Schließlich birgt diese Entwicklung die Gefahr, sich als Mensch mit all seinem Fehlerpotenzial, dem Grundbedürfnis nach Ruhepausen und der hohen Wahrscheinlichkeit, auch einmal krankheitsbedingt auszufallen, schlichtweg überflüssig zu machen. Doch das wird nicht passieren. Auch das hat die CES gezeigt: Digitalisierung und künstliche Intelligenz wirken unterstützend, werden den Kollegen aus Fleisch und Blut aber nicht ersetzen. Zumindest nicht flächendeckend. Und das ist auch gut so. Schließlich beschert uns der demografische Wandel bereits ab nächstem Jahr einen starken Anstieg des Fachkräftemangels. Stichwort: Verrentungswelle der Babyboomer.

Die Digitalisierung kommt also genau zum richtigen Zeitpunkt in Fahrt. Damit sie ihre Wirkung aber auch tatsächlich entfalten kann, muss sie in den Unternehmen und Organisationen auf fruchtbaren Boden fallen. Das heißt: Daten müssen digital vorliegen, um vernetzbar zu sein. Eine Wissenskultur fördert einen offenen und bewussten Umgang mit dem impliziten Kapital. Und das vorhandene Personal ist, unabhängig von der Hierarchie, bereit, gewohnte Routinen aufzugeben und sich auf das Abenteuer Digitalisierung einzulassen. Zudem gilt es, das bestehende Unternehmenswissen für die nachfolgenden Mitarbeitergenerationen nutzbar zu machen. Die Zeit dafür wird langsam knapp. Die zukünftigen Rentner werden vielerorts nur noch wenige Monate in Lohn und Brot stehen. Bis sie sich in den Ruhestand verabschieden, muss es den Unternehmen gelungen sein, das jahrzehntelange Erfahrungswissen dieser Fachkräfte zu sichern. Hier sollte sich jeder Verantwortliche fragen, wie weit die eigene Organisation auf diesem Weg bereits gekommen ist. Anregungen zum Spannungsfeld von Digitalisierung und Informationsflut auf der einen Seite sowie Demografie und drohendem Wissensverlust auf der anderen Seite erhalten Sie im aktuellen Titelthema ab Seite 19.

Ich wünsche Ihnen eine wissensintensive Lektüre!

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

Know Your Customer: Prüfungspflichten automatisieren

WISSENplus
Seit 2020 gelten verschärfte Prüfungs- und Meldepflichten, um Geldwäsche oder Terrorfinanzierung aufzudecken. Inzwischen geht der Kreis der KYC-"Verpflichteten" (Know Your Customer, kenne Deinen Kunden) weit über den Finanzsektor hinaus. Auch Digitalplattformen, Immobilien-, Kunst- & Güterhändler müssen bei Barzahlungen hoher Beträge künftig KYC-Prüfungen durchführen. Angesich...

Weiterlesen

Digitale Hochschullehre als Bildungsherausforderung

WISSENplus
Hochschullehrende übernehmen eine besondere Verantwortung für die Zukunft in einer digitalisierten Welt. Sie müssen den Studierenden digitale Erfahrungen ermöglichen, auch dann wenn es für sie selbst eine persönliche Herausforderung darstellt. Im Projekt MathEdu Digital an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd geht es daher um die Identifikation von Barrieren und deren Abbau, aber auc...

Weiterlesen

Wie leben wir morgen? Eine Reise ins Jahr 2050

WISSENplus
Im Jahr 2050 besteht die Weltbevölkerung aus ca. 9,7 Milliarden klimabewussten Smart Citizens. Sie leben länger und haben mittlerweile das Weltall und die Tiefen des Ozeans als weitere Verkehrsinfrastrukturen erobert. Aber welche agilen Errungenschaften stecken dahinter? Wie haben sich die Menschen im Jahr 2050 auf der Erde entwickelt und welche Innovationen haben sie zu einer solchen Agilität befähigt?...

Weiterlesen

Mit Chatbots immer topaktuell informiert

WISSENplus
Im Kundendienst und im Marketing haben Chatbots ihren Platz gefunden. Noch kaum bekannt ist ihr Potenzial aber in der Wissensvermittlung. Mit Chatbots lässt sich Wissen kurz, mobil und interaktiv weitergeben. Kurz: Sie treffen den Zeitgeist und holen Anwender dort ab, wo sie sind: beim Messaging. Ohne neue App lassen sich so beispielsweise neue Mitarbeiter in einen Betrieb einführen, Awareness-Kampa...

Weiterlesen

Drei Szenarien für das Digital Office

WISSENplus
Gerade zu Beginn der Corona-Krise gab es eine hohe Nachfrage nach cloudbasierten Digital-Office-Lösungen. Denn der Großteil an Unternehmen musste aus der Not heraus schnell neue Arbeits- und Kommunikationsweisen etablieren. Laut einer Sonderauswertung des Bitkom-ifo-Digitalindexes arbeiteten im April diesen Jahres 75 Prozent aller Unternehmen von zu Hause aus - in der Informations- und Kommunikatio...

Weiterlesen

Cleveres Umdenken: Von HR 4.0 zur Arbeitswelt 5.0

WISSENplus
Digitale HR-Prozesse findet man heute bereits in den meisten Personalabteilungen. Dank der Arbeitswelt 4.0 verfügen viele HRler schon über das richtige Mindset in puncto Digitalisierung. So haben sie sich unter anderem von lang bewährten, oft manuellen administrativen Arbeitsabläufen getrennt und sind aufgeschlossen gegenüber digitalen Technologien. In der Version 5.0 stellt sich allerdings nicht...

Weiterlesen

Weniger Verkehrschaos trotz boomendem E-Commerce: Die letzte Meile smart gestalten

Der E-Commerce wächst immer weiter: 2019 erzielte der deutsche Online-Handel einen Rekordumsatz von 72,6 Milliarden Euro, so der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh). Kein Wunder, denn in Zeiten von Over-Night-Zustellung, kostenlosem Versand- und Rückversand ist Online-Shopping so bequem wie nie zuvor. Diese Entwicklungen stellen Logistiker vor immense Herausforderungen und sorgen auf d...

Weiterlesen