2000/12 | Fachbeitrag | E-Communities
Der Schlüssel zum Erfolg heißt Kooperation
Von Marcus
Inhaltsübersicht:
- Webbasiertes Wissensmanagement
- ISO: Standards via Internet entwickeln
- Care Canada: Hilfsaktionen via Internet koordinieren
- E-Communities sind Teil des E-Business
Die Zeit
der E-Communities bricht an: Menschen verschiedenster Herkunft treffen
sich in virtuellen Räumen, um gemeinsam an der Verwirklichung
ihrer Ziele zu arbeiten. Kein Wunder also, dass gerade Non-Profit-Organisationen
wie die Internationale Organisation für Normierung (ISO) oder
die kanadische Sektion der Hilfsorganisation Care International
diesen IT-Ansatz für sich entdeckt haben.
Non-Profit-Organisationen
zeichnen sich strukturell durch einen hohen Grad an Dezentralität
aus: Viele meist geografisch weit voneinander entfernte Gruppen
und Individuen leisten ihren wertvollen Beitrag zum Erreichen der
gemeinsamen Ziele. Gemeinsamkeiten entstehen aber nur durch das
Teilen von Wissen, Erfahrungen und Ideen, durch echte Kommunikation.
Die Einfachheit und Schnelligkeit dieser Kommunikation entscheiden
dabei maßgeblich über die Qualität der Ergebnisse
und die Geschwindigkeit, mit der diese erzielt werden.
Webbasiertes Wissensmanagement
Wissensentstehung
ist dynamisch, ein kreislaufartiger Prozess, der sowohl durch äußere
Faktoren etwa in Form von Handbüchern oder elektronischen
Dokumenten als auch durch innere wie zum Beispiel
das Denken in Metaphern und Analogien, subjektive Einsichten oder
Gefühle angetrieben wird. Das Wechselspiel zwischen
inneren und äußeren Faktoren ist es, was den Wissenskreislauf
in Gang setzt und unterhält.
Die Zahl der
IT-Systeme, welche die Voraussetzungen für die Unterstützung
eines solchen Wissenskreislaufes erfüllen, wird immer größer.
Doch nur die wenigsten erfüllen dabei auch das Kriterium der
Einfachheit. Einfachheit bedeutet bei IT-Systemen:
- einfache und schnelle Implementierung
- intuitiv erlernbare Standardfunktionalitäten
- zentrale Administration und Bereitstellung
- möglichst geringe Investitionen in Hardware
- die Nutzung der kostengünstigsten Kommunikations-Infrastruktur, die es zur Zeit gibt: des Internets
Um die Anforderungen
von Non-Profit-Organisationen erfüllen zu können, müssen
solche Systeme zu 100% webbasiert sein, also sowohl die Administration
als auch die Nutzung über Web-Browser erlauben und standardmäßig
Funktionalitäten zu Dokumentenmanagement, Groupware, Workflow
sowie Agenda- und Ressourcenplanung in integrierter Form zur Verfügung
stellen. Echtes webbasiertes Wissensmanagement ist also gefragt,
das den Wissenskreislauf kostengünstig und effizient unterstützt.
Dabei haben Non-Profit-Organisationen
zwar dieselben Ansprüche an die Leistungsfähigkeit der Funktionalitäten
wie internationale gewinnorientierte Unternehmen, sie verfügen jedoch
über ungleich weniger personelle und finanzielle Ressourcen. Die
im Folgenden vorgestellte Lösung wurde auf Basis von Livelink des
Herstellers Open Text realisiert.
ISO: Standards via Internet entwickeln
Die Entwicklung
von Normierungen ist für das reibungslose Funktionieren insbesondere
neuer Märkte eine unerlässliche Voraussetzung. Die Verwirklichung
von Standardisierungen ist jedoch ein umfangreicher und sehr komplexer
Prozess. Allein im Fall von ISO gilt es, die Arbeit von rund 200.000
Mitarbeitern aus über 120 Ländern in etwa 7.000 Projekten
zu koordinieren. Die Entwicklung nur eines einzigen Standards kann
bis zu fünf Jahre dauern und Hunderte von Mitarbeitern einbeziehen.
Pasi Rinta-Filppula, Direktor der Abteilung für Information
Processing Services im Zentralsekretariat von ISO, erklärt
dazu: "Neben den verschiedenen Dokumenten, die es auf dem Weg zur
Erstellung von Normierungen braucht, werden hier noch eine ganze
Reihe anderer Dokumente bewirtschaftet: Arbeitspapiere für
Meetings, Kurzprotokolle von Zusammenkünften, statistisches
Material, Berichte usw. Wir entwickeln jedes Jahr 1.000 neue Standards
und alle fünf Jahre müssen alte Normierungen überarbeitet
und geprüft werden. Zusätzlich unterstützen wir jedes
Jahr 40 internationale Meetings mit den dafür benötigten
Dokumentationen. Alles in allem ergeben sich daraus für das
Zentralsekretariat über 150.000 zu bewirtschaftende Seiten
von unterschiedlicher Komplexität."
Das IT-System,
das die ISO-Arbeit erleichtern sollte, musste den daran Beteiligten
gleichzeitig die Online-Zusammenarbeit ermöglichen. Denn wenn
die Entwicklung einer Normierung einen gewissen Stand erreicht hat,
wird diese von verschiedenen Seiten einer Beurteilung unterzogen:
Mitarbeiter rund um den Globus kommentieren, prüfen und stimmen
für oder gegen ihre Brauchbarkeit. Erst nach einer solchen
Prüfung mit positivem Ausgang kann von einem international
gültigen Standard gesprochen werden. Ein Extranet sollte deshalb
geschaffen werden, in dem für jedes Projekt ein virtueller
Arbeitsraum eingerichtet werden konnte. Um gleichzeitig die Effizienz
der Projektarbeit zu gewährleisten, sollte die Lösung
Workflow-Funktionen bieten, mit denen die jeweiligen Projektverantwortlichen
Arbeitsabläufe für eine unbeschränkte Anzahl von
Mitarbeitern und für komplexe hierarchische Strukturen entwerfen
und überwachen können. Dazu Rinta-Filppula: "Je genauer
sich ein Workflow-Prozess mitverfolgen lässt, desto stärker
kann man sich um Prioritäten kümmern sowie Verzögerungen
lokalisieren und beheben. Eine Unmenge ursprünglich von Hand
erledigter Papierarbeit kann auf diese Weise eingespart werden."
Kurz zusammengefasst
beinhaltete die ISO-Anforderungsliste:
- virtuelle Teamarbeit
- Workflow
- Dokumentenmanagement
- vollständige Web-Basierung
Care Canada: Hilfsaktionen via Internet koordinieren
In Notsituationen
kann der Zugang zu exakten und wichtigen Informationen buchstäblich
über Leben und Tod entscheiden. Diese Einsicht hat Care Canada,
Mitglied von Care International, dazu bewogen, eine Information-to-Knowledge-Gruppe
(i2K) zu gründen. Aufgabe dieser Gruppe war es, mit finanzieller
Unterstützung der Canadian International Development Agency
(CIDA), für Care International und angeschlossene Hilfsorganisationen
ein weltweites Wissensmanagement-System auf Internet-Basis aufzubauen.
Dazu Gerard van der Burg, Direktor der i2K-Gruppe: "Treibende Kraft
hinter jeder humanitären Care-Aktion, sei es eine Ad-hoc-Maßnahme
oder ein geplantes Projekt, ist das Wissen unserer Organisation,
das auf 60 Landesbüros und 10 Mitgliedsorganisationen verteilt
ist. Die universale Verfügbarkeit unseres Wissens erschien
uns deshalb ein Muss."
Geplant war
deshalb die Implementierung eines Wissensmanagement-Systems, das
sowohl den Zugang zu allen Informationen der Organisation als auch
die Möglichkeit zur Teamarbeit im Internet bot. Denn in Notsituationen
kann sehr oft nicht auf vorbereitete Pläne zurückgegriffen,
sondern muss improvisiert werden. Die Helfer müssen deshalb
Ad-hoc-Teams bilden und Aktionen diskutieren können. Diese
Anforderungen, die zentrale Administration sowie Web-Basierung waren
deshalb für die i2K-Gruppe entscheidend.
1998 nahm dann
LINK, so wurde das Wissensmanagement-System von Care genannt, den
Echtbetrieb auf. Die Feuertaufe hat das System noch im selben Jahr
erfolgreich bestanden, als während des Hurrikans Mitch dank
LINK die Reaktionszeiten deutlich reduziert und die Effizienz der
Hilfe erheblich gesteigert werden konnten.
Aus diesen Erfahrungen
gewannen Care und i2K die Erkenntnis, dass der Nutzen eines solchen Systems
für Hilfsorganisationen der so genannten Entwicklungsländer
noch ungleich höher als für sie selbst sein musste. Aus dieser
ßberlegung heraus wurde die Idee für e-glue geboren: die Schaffung
einer weltweiten E-Community für Hilfs- und Entwicklungsorganisationen.
Dabei sollten natürlich die Investitionen für die Anbindung
der verschiedenen Organisationen sehr gering gehalten werden, obwohl es
nicht nur Hilfsorganisationen sind, die an e-glue teilnehmen, sondern
auch private Unternehmen, die das Projekt finanziell unterstützen
und ihr eigenes Wissen zur Umsetzung von Hilfsmaßnahmen beisteuern.
E-Communities sind Teil des E-Business
E-Communities wie
hier vorgestellt hängen jedoch nicht von der Gemeinnützigkeit
der darin verfolgten Ziele ab. Vielmehr liegt ihre Daseinsberechtigung
einfach in der Verfolgung eines gemeinsamen Ziels durch eine Vielzahl
von Akteuren. Der Nutzen solcher webbasierten Gemeinschaften steht deshalb
nicht nur Non-Profit-Organisationen offen, sondern auch gewinnorientierten
Unternehmen und dem öffentlichen Sektor. Bislang war es teuer und
langwierig, solche E-Communities zu realisieren; die Beispiele ISO und
Care Canada zeigen aber, dass es bereits Lösungen gibt, die schnell,
einfach und kostengünstig zu implementieren sind. Voraussetzung ist
allerdings die Einsicht, dass auch und vor allem im E-Business-Zeitalter
Kooperation einen Schlüssel für den langfristigen Erfolg darstellt.