2017/5 | Dokumentation + Kommunikation | Enterprise Search

Cognitive Search: Artificial Intelligence und Machine Learning für unternehmensweite Suche

von Franz Kögl

Artificial Intelligence (AI) und Machine Learning Verfahren sind längst Bestandteil guter und innovativer Suchstrategien. Fünf Beispiele aus der Praxis zeigen, wie sich die einfache Suche zur Cognitive Search gewandelt hat und welche Use Cases mit diesen Technologien und Verfahren mittlerweile möglich sind – die weit über das klassische Suchen und Finden hinausgehen.

Enterprise-Search-Anwendungen sind nicht nur auf das Suchen und Finden beschränkt. Sie helfen Mitarbeitern dabei, Daten zu analysieren und zu interpretieren oder Experten zu identifizieren: Dank zahlreicher Konnektoren zu unterschiedlichen Anwendungen, wie Netzlaufwerken, Intranets, Mailservern oder Wikis, werden sämtliche relevante Dokumente aus dem gesamten Unternehmen indiziert, suchbar gemacht, analysiert und in Beziehung zueinander gesetzt, um viele Mehrwertszenarien jenseits einer Trefferliste abzubilden.

Große Mittelständler und Konzerne erwarten eine echte enterprise-ready Lösung, die hohen administrativen Komfort bietet, ohne großen Aufwand betreiben zu müssen und mandantenfähig ist. Dazu gehören auch responsive User Experiences (UX) – von einer spezialisierten Bedienoberfläche für den Wissensarbeiter bis hin zu einfachen Suchkomponenten, die in das Firmenportal eingebunden sind. Vollständige Lösungen unterstützen barrierefreie Bedienoberflächen und mobile Apps für den Zugriff von allen Endgeräten aus – „Mobile First Paradigmen“ gelten auch für Enterprise Search.

Von der Enterprise Search zur Insight Engine

Gartner spricht aufgrund der deutlich gestiegenen Möglichkeiten von Suchprodukten mittlerweile nicht mehr von Enterprise-Search-Lösungen, sondern von Insight Engines, die natürlich, umfassend und proaktiv sind:

  • Natürlich bedeutet dabei natürlichsprachlich und umfasst die Verarbeitung von natürlichsprachlichen Suchanfragen.
  • Umfassend schließt die Anbindung aller internen und externen Datenquellen ein und beinhaltet auch den Aspekt des Zusammenwachsens mit BI-Anwendungen, um mit der Lösung auch Ad-hoc-Analysen auf unstrukturierten und strukturierten Daten vorzunehmen.
  • Proaktiv steht für die kontextbezogene Versorgung des Benutzers mit zielgerichteten Informationen als Push-Dienst – und nicht nur das reaktive Ausliefern einer Trefferliste.

Predictive Analytics runden hier das Funktionsspektrum ab. Nutzer können frühzeitig bewerten, ob es z.?B. zu einem Qualitätsproblem bei einem Produkt kommt oder ob ein Kunde unzufrieden ist und Gefahr besteht, dass dieser seinen Vertrag kündigt.

Insight Engine ist pragmatisches, suchgetriebenes Wissensmanagement

Moderne Enterprise-Search-Anwendungen führen den Benutzer zu seinem gewünschten Ergebnis – bzw. liefern ihm dieses im besten Fall schon auf den ersten Klick. Falls dies nicht gelingt, kommen von der Engine Vorschläge, mit denen der Benutzer seine Suche smart eingrenzen – oder auch erweitern kann, um zu stöbern und explorativ unterwegs zu sein. Thematische, semantische Suche unterstützt den Anwender – schon bei einem intelligenten Autocomplete mit Mehrwortbegriffen und kompletten Suchphrasen.

Der Benutzer kann sich Zusammenhänge und gebündeltes Wissen in Form eines Knowledge Graphen anzeigen lassen, um z.?B. Experten mit bestimmten Skills zu identifizieren, thematisch ähnliche Dokumente zu nutzen oder Kerninformationen mit weitergehenden Fakten anzureichern.

Eine professionelle Insight Engine bietet außerdem Empfehlungen (Recommendations), die aus den vergangenen Suchanfragen von Kollegen innerhalb der Abteilung berechnet werden. Dadurch werden Dokumente und Inhalte in der Trefferliste priorisiert, nach denen schon die Kollegen gesucht haben. Diese suchgetriebenen Recommendations und viele andere Features machen Enterprise Search zu einem perfekten Tool für Wissensarbeiter.

Funktionen wie die automatische Vervollständigung des Suchbegriffs oder Tippfehlerkorrektur gehören schon seit Jahren zum Standard. Suchmaschinen sind mittlerweile auch in der Lage, Suchanfragen anhand kompletter Fragesätze („Welcher Mitarbeiter arbeitet in Düsseldorf?“) zu verstehen, da sie Natural Language Processing (NLP) unterstützen. Dahinter stecken Machine Learning und Content Analytics Verfahren, wie z.?B. die Analyse von Prädikat-Argument-Strukturen.

Fünf Uses Cases für Artificial-Intelligence-Apps

Die folgenden fünf Praxisbeispiele zeigen, wie suchgetriebene Artificial Intelligence völlig neue Anwendungsszenarien erschließt:

1. Expertenidentifikation: Who-is-Who-Graphdatenbank

Ein bestehendes Mitarbeiterportal oder ein Intranet profitiert besonders von Who-is-Who-Informationen. Dafür muss lediglich ein einfaches semantisches Modell mit Informationen zu jedem Mitarbeiter direkt aus dem Active Directory befüllt werden. Dank Text Analytics werden zusätzlich Informationen zu Tätigkeiten oder Fähigkeiten des jeweiligen Kollegen aus E-Mails oder anderen Dokumenten gewonnen und entsprechend in dem semantischen Modell angereichert. Sucht ein Mitarbeiter innerhalb eines Unternehmens nun nach einer Person, einer Fachkompetenz oder nach einem Experten zu einem bestimmten Thema, werden die Ergebnisse anhand eines Knowledge Graphs visualisiert oder einfach als Zusatzinfo in der Trefferliste angezeigt. Darin sind die einzelnen Mitarbeiter mit ihren Fähigkeiten und Beziehungen sowie Hierarchien zueinander grafisch dargestellt. Auf diese Weise lassen sich schnell und einfach Experten zu bestimmten Themen identifizieren. Die Graphdatenbank hilft sogar, bei namensgleichen Kollegen den Richtigen zu finden.

2. Chatbots

Chatbots kommen insbesondere beim Online-Support immer mehr zum Einsatz. Der Chatbot nimmt dabei die Frage des Anwenders auf und analysiert sie dank Content-Analytics-Funktionen, wie der Analyse von Prädikat-Argument-Strukturen, der Entitätenerkennung und Linguistik-Features. Im Hintergrund gleicht der Bot mit Hilfe einer Lösungsdatenbank, Support-Mails oder FAQ-Inhalten die Problembeschreibung ab und liefert die am besten passende Antwort.

3. Automatische Vertragsanalyse

Von der automatischen Vertragsanalyse profitieren die Rechtsabteilungen in Unternehmen, z.?B. bei Firmenübernahmen oder Due-Diligence-Prozessen. Hierbei werden Vertragsklauseln erkannt, extrahiert und tiefgehender analysiert. Anhand eines Red Flag Reports bekommt der Nutzer die relevanten Vertragsinhalte aufgelistet. Das soll ihm dabei helfen, die Verträge besser auf Risiken hin zu überprüfen. Juristen werden somit von Standardaufgaben entlastet und können dadurch ihre Prüfungsarbeit schneller und deutlich kosteneffizienter erledigen.

4. Automatische Analyse von eingehenden Ausschreibungen

Auch bei der Analyse von eingehenden Ausschreibungen kommen automatisierte Content-Analyse-Verfahren zum Einsatz. Die Technik hilft hier, einzelne Ausschreibungsbestandteile wie Produktnamen und -bestandteile zu identifizieren, diese zu extrahieren und mit den eigenen Produktbeschreibungen bestmöglich zu matchen. Dabei helfen linguistische Normalisierungen, Tippfehlerkorrekturen, automatische Einheitenumrechnungen und aufgrund der syntaktischen Analyse der Artikelbeschreibung auch Priorisierungen von einzelnen Begriffen. Damit lassen sich nach dem Pareto-Prinzip mühsame, manuelle Erkennungsarbeiten vermeiden und eine deutliche Prozessverbesserung erzielen. Weniger Mitarbeiter können so in der gleichen Zeit ein deutlich höheres Quantum an Dokumenten bewältigen. Gleichzeitig bleibt die Qualität dank der Automatisierung gewährleistet.

5. Technologie Scouting

In bestimmten Industriebereichen – wie beispielsweise beim Monitoring von Patentanmeldungen oder bei der Wettbewerbsbeobachtung – ist es essentiell, Expertenwissen schnell und zuverlässig zu identifizieren und auszuwerten. Das Ziel ist es unter anderem, redundante Informationen herauszufiltern und fehlende Angaben zu ergänzen. Beim Technologie Scouting geht es nicht nur um das Sammeln von Daten auf Websites (Visible Web), sondern auch um Content, der über die Standardsuchmaschinen nicht auffindbar wird (Deep Web), weil er durch Paywalls oder Zugangsberechtigungen geschützt ist. Mit Hilfe von Machine-Learning-Verfahren, die Prädikat-Argument-Strukturen erkennen, lassen sich externe Quellen wie ein Fachartikel aus Wikipedia, Patente oder Präsentationen thematisch erfassen und bewerten.

Fazit

Cognitive Search bedient sich zahlreicher Artifical-Intelligence-Verfahren und sprengt die Grenzen klassischer Volltextsuchen. Neue Anwendungsfelder werden mit dem gleichen Technologie-Stack möglich, mit dem eine klassische Volltext-Trefferliste berechnet wird. Search und Content Analytics sind Basistechnologien für unzählige Use Cases in smarten Unternehmen und helfen, an vielen Stellen im Unternehmen Kosten zu sparen, effizienter zu arbeiten und bessere Entscheidungen zu treffen.

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