2018/5 | Fachbeitrag | Digitale Transformation

Von digitaler Demenz zu digitaler Nachhaltigkeit

von Thomas Kuckelkorn

Inhaltsübersicht:

Das krankheitsbedingte Vergessen ist für die betroffenen Menschen und ihre Angehörigen eine große Belastung. Aber auch Unternehmen und Behörden kann es sehr hart treffen, wenn Informationen in Zeiten digitaler Datenflut verloren gehen – bis hin zur Störung digitaler Systeme und Dateien. Im Hinblick auf die im Mai 2018 in Kraft tretende Datenschutzgrundverordnung muss zudem in Zukunft nachgewiesen werden können, wo Informationen gespeichert sind, und man muss darauf zugreifen können, wenn jemand sie anfordert. Funktioniert ihre Verarbeitung aber nicht und werden sie nicht intelligenter genutzt sowie besser dokumentiert, dann werden wichtige Daten schlicht und einfach vergessen. Glücklicherweise kann man dieser digitalen Variante der Demenz vorbeugen: mit digitaler Nachhaltigkeit.

Digitale Vielfalt oder digitale Verwirrung?

Die Fülle der täglich in Unternehmen eintreffenden Informationen hat in den vergangenen Jahren explosionsartig zugenommen. Für 2018 wird in Deutschland beispielsweise der Versand von gigantischen 917 Milliarden E-Mails prognostiziert. Ebenso steigt die Zahl der relevanten Kommunikations- und Interaktionskanäle immer weiter an. Soziale Medien und Messenger-Dienste wie WhatsApp ersetzen die klassische Kommunikation nicht, sondern ergänzen und erweitern sie. Zu guter Letzt haben wir es heute zudem mit einem wahren Füllhorn an spezialisierten und weniger spezialisierten Systemen zur Verarbeitung zu tun. Diese digitale Vielfalt hat ohne Zweifel enormes Potenzial, kann aber auch zur digitalen Verwirrung und Überforderung führen. Eine Herausforderung liegt nun vor allem im Umgang mit diesem rasant ansteigenden Mix, um das in Informationen enthaltene Wissen zu filtern und somit wirtschaftlich nutzbar zu machen.

Information Overload

Im Hinblick auf ihre Zukunftsfähigkeit haben sich viele Unternehmen und Behörden in den letzten Jahren der Digitalisierung von Dateien und Prozessen gewidmet. Natürlich eine gute Idee, jedoch nicht ohne Risiko. Dank der Digitalisierung können wir heute nahezu unbegrenzt Informationen sammeln und speichern. Also behalten wir alles, weil es vielleicht in der Zukunft nützlich sein könnte – schließlich unterstützt uns doch der Faktor Information dabei, bessere Entscheidungen zu treffen. Diese Tendenz ist nur natürlich. In einer unsicheren Situation neigt der Mensch für gewöhnlich dazu, mehr Informationen zu suchen, auch wenn das nicht unbedingt zu einer besseren Entscheidung führt.
Die Folge aus der digitalen Vielfalt und einem „Hamstern“ von Informationen ist ein oftmals überflüssiger Information Overload. Mit dem Ergebnis, dass wir in vielen Fällen keine Ahnung mehr haben, welche Informationen wo gespeichert sind. Die ersten Anzeichen einer digitalen Demenz, die Mitarbeiter und Unternehmen gleichermaßen betrifft. Die schiere Menge an Informationen übersteigt das Verarbeitungsvermögen eines Menschen heute mit Leichtigkeit. Alleine der Versuch, die sekündlich ansteigenden Informationsberge aufzunehmen und zu verinnerlichen, kann in Unternehmen und Behörden schnell zu riskanten Entwicklungen führen, an die zuvor niemand langfristig gedacht hätte. Denn wie schon der US-amerikanische Investor Warren Buffett sagte: „Risiko entsteht, wenn du nicht weißt, was du tust“.

Dokumente und ihre Haltbarkeit

Wir können heute zum Teil noch papiergebundene Dokumente lesen, die Jahrhunderte alt sind. Hingegen sind digitale Dokumente manchmal schon nach einigen Jahren sehr viel schwerer zu entziffern. Dies liegt daran, dass Software und Hardware schnell altern. Dank fortlaufender Updates und kontinuierlicher Entwicklung bleibt Software in den meisten Fällen auf dem neuesten Stand, aber alte Dokumente sind in dieser Software meist schwer oder überhaupt nicht lesbar; oft hat man mit extremen Formatierungsproblemen zu kämpfen. Hinzu kommt, dass Benutzer mit Kenntnissen der veralteten Anwendungen zunehmend knapper werden. Wenn wir nichts unternehmen, wird unsere digitale Arbeitsgeschichte in einem hohen Tempo verschwinden.

Das Mittel gegen digitale Demenz: Digitale Nachhaltigkeit

Digitale Nachhaltigkeit ist das Mittel gegen digitale Demenz: Die – auch langfristige – Auffindbarkeit, Zugänglichkeit, Lesbarkeit und Vollständigkeit digitaler Daten sind hier wichtige Faktoren. Leichter gesagt als getan, aber ein Anfang ist schnell gemacht. Realisieren lassen sich diese Schritte dadurch, dass relevante Informationen mit Stakeholdern geteilt und für sie zugänglich gemacht werden. Diesen sollten Unternehmen und Behörden die Verantwortung geben, Informationen zu überprüfen und zu ergänzen, um Feedback aus verschiedenen Blickwinkeln zu erhalten. Diese Form der Co-Creation reduziert die Wahrscheinlichkeit eines digitalen Vergessens, da mehrere Beteiligte Eigentümer der Informationen werden. Wie in einem internen Wikipedia wird verhindert, dass Informationen verloren gehen oder nicht gefunden werden.

Um digitale Demenz zu vermeiden und digitale Nachhaltigkeit zu realisieren, bedarf es einer neuen Denkweise und einer Offenheit gegenüber neuen Technologien. Information-Management-Tools, die Unternehmen wie Behörden im sicheren, nachhaltigen und verantwortungsvollen Umgang unterstützen und den Information Overload bekämpfen, sind bereits verfügbar. Man sollte diese proaktiv nutzen, um das digitale Vergessen zu verhindern.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

Weniger Verkehrschaos trotz boomendem E-Commerce: Die letzte Meile smart gestalten

Der E-Commerce wächst immer weiter: 2019 erzielte der deutsche Online-Handel einen Rekordumsatz von 72,6 Milliarden Euro, so der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh). Kein Wunder, denn in Zeiten von Over-Night-Zustellung, kostenlosem Versand- und Rückversand ist Online-Shopping so bequem wie nie zuvor. Diese Entwicklungen stellen Logistiker vor immense Herausforderungen und sorgen auf d...

Weiterlesen

Digitalisiert & vernetzt: Daten im (Work-)Flow

Daten gelten als Gold des 21. Jahrhunderts. Sie haben sich als vierter Produktionsfaktor neben Boden, Arbeit und Kapital fest etabliert. In vielen Organisationen tragen sie - als elementarer Wissensbaustein - mittlerweile sogar mit mehr als 60 Prozent zur Wertschöpfung bei. Doch trotz ihrer wachsenden Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit werden Daten in vielen Organisationen nach wie vor vernachlässig...

Weiterlesen

Hilfe-Communities: Von Klickanleitungen zu kollaborativen Arbeitsweisen

Heimarbeit & Co. sind in diesem Jahr ein Treiber für digitale Kommunikation und Zusammenarbeit gewesen: Laut Bitkom geben 43 Prozent der Beschäftigten an, dass im Zuge der Corona-Krise ihre Homeoffice-Möglichkeiten ausgeweitet wurden. Zahlreiche neue Tools rund um die Themen Videokonferenz, Chat, Dateiaustausch & Co. wurden dabei für die Mitarbeitenden bereitgestellt. Die Infrastruktur run...

Weiterlesen

Digitale Hochschullehre als Bildungsherausforderung

WISSENplus
Hochschullehrende übernehmen eine besondere Verantwortung für die Zukunft in einer digitalisierten Welt. Sie müssen den Studierenden digitale Erfahrungen ermöglichen, auch dann wenn es für sie selbst eine persönliche Herausforderung darstellt. Im Projekt MathEdu Digital an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd geht es daher um die Identifikation von Barrieren und deren Abbau, aber auc...

Weiterlesen

Hololens & Co.: Virtual Reality erobert die Weiterbildung

Die neuen Medien halten mit Siebenmeilenstiefeln Einzug in den Arbeitsalltag, daher ist auch Virtual Reality im betrieblichen Einsatz schon länger ein Thema für viele Unternehmen. Es begann - ganz "klassisch" - zunächst im Bereich der Instandhaltung in produzierenden Betrieben: Die Unternehmen erkannten, dass sich VR-Brillen wie die Hololens von Microsoft hervorragend dazu eignen, Wartungsarbeiten a...

Weiterlesen

Firmen-Events digital moderieren

WISSENplus
Je vernetzter die Strukturen in Unternehmen und je komplexer ihre Problemlösungen sind, umso größer ist der Bedarf an bereichs- und oft sogar unternehmensübergreifender Abstimmung und Kooperation. Entsprechend viele Workshops und Meetings fanden zumindest bis zum Ausbruch der Corona-Krise in den Unternehmen statt; zudem Kick-offs und Tagungen, an denen oft Hunderte und zuweilen sogar Tausende von ...

Weiterlesen

My CMS: Anwaltskanzlei bündelt ihr Wissen App-basiert

WISSENplus
CMS ist eine der zehn größten internationalen Anwaltskanzleien. Sie ist in 70 Städten in 43 Ländern vertreten - mit 75 Standorten weltweit. Aufgrund einer Fusion mit den Kanzleien Nabarro und Olswang im Jahr 2017 hatte es CMS mit einer heterogenen IT-Landschaft zu tun. Doch die Digitalisierung macht auch vor der Rechtsbranche keinen Halt. Ein immer schnelleres Wachstum und die hohen Anforderungen ...

Weiterlesen