2006/12 | Fachbeitrag | Veränderung

Leben heißt Veränderung

von Reiner Czichos

Von Reiner Czichos

 

Inhaltsübersicht:

 

 

Was sich hinter dem Begriff Change verbirgt und wie eine Marketing-Strategie aufgebaut werden sollte, ist den meisten Führungskräften und Managern bekannt. Was aber ist mit einer Change-Marketing-Strategie gemeint? Ganz einfach: Auch Veränderungen müssen verkauft werden. Alle Beteiligten müssen wissen, was auf sie zukommt und welche Konsequenzen der Veränderungsprozess für sie hat. Der Weg dorthin führt über eine offensive Informations- und Kommunikationspolitik.

 

 

 

 

Jeder Changeprozess umfasst mindestens vier Entwicklungsschritte: Zunächst muss das Unternehmen den Change konzipieren. Dann kann es die neue Strategie an alle Mitarbeiter und Stakeholder verkaufen und sie von der Notwendigkeit des Veränderungsprozesses überzeugen. Nur dann beteiligen sich die Betroffenen aktiv an der Umsetzung. Erst wenn diese Schritte erfolgt sind, kann das Unternehmen den Change-Prozess erfolgreich implementieren.

 

 

 

 

Die in ihren Auswirkungen fatalsten Fehler machen Unternehmen bei Schritt zwei: Deutsche Manager haben erhebliche Probleme, ihre Mitarbeiter und Stakeholder von Change-Prozessen zu überzeugen und zu aktiven Gefolgsleuten zu machen. Genau hier setzt das Change-Marketing an: ein unternehmensinterner Prozess mit dem Ziel, eine Unternehmenskultur zu etablieren, in der Führungskräfte und Mitarbeiter die Veränderung als selbstverständlichen Bestandteil ihrer Arbeit interpretieren.

 

 

 

Die Angst vor der Veränderung

 

 

Das größte Hindernis auf dem Weg zu einem erfolgreichen Change-Management ist noch immer die weit verbreitete Angst vor der Veränderung nicht nur in den Unternehmen. Es gibt sie überall: die Change-Verhinderer. Woher kommt diese Einstellung?

 

 

Die organisatorischen Strukturen in den Unternehmen weisen ein Beharrungsvermögen auf und tendieren zur Erhaltung des Status Quo: Was sich bewährt hat, muss man nicht ändern. Und dieses man benennt den zweiten Aspekt des Problems: den Menschen bzw. die Führungskräfte und Mitarbeiter, die das Veränderungstempo nicht mitgehen wollen oder können. Ein Grund liegt darin, dass sich der genetische Bauplan des Menschen in den letzten Jahrtausenden kaum geändert hat. Daher fällt es vielen schwer, die Konsequenzen aus den sich ständig ändernden Umfeldbedingungen und dem unleugbaren Veränderungsdruck zu ziehen. Wenig kreativ sind die Begründungen, warum eine Veränderung scheitern müsse und man deshalb lieber die Finger davon lassen solle: Das haben wir schon immer so gemacht, "Das klappt doch nie" und "Veränderung ja aber bitte nicht bei mir und in meinem Bereich".

 

 

 

 

 

Notwendig ist zum einen, dass die Führungskräfte auf allen Ebenen selbst zur Veränderung fähig und willens ist. Zum anderen müssen sie ein Unternehmensklima schaffen, in dem der Mut zur Veränderung gedeihen kann. Im Fokus sind hier vor allem die Topmanager, die diesen Prozess in Gang setzen und organisieren und sich zu Change Agents entwickeln müssen. Nur: Häufig sind es gerade die Topmanager, die nicht zur Veränderung fähig sind. Die Unlust an Veränderungen schreiben sie dann vor allem den Mitarbeitern zu und fordern sie auf, sich doch endlich für den Change zu öffnen.

 

 

 

Die Veränderungsbereitschaft der Führungskraft

 

 

Darum sollten gerade die Topführungskräfte ihre Veränderungsbereitschaft überprüfen und überlegen, inwiefern ihre Denkweise und Einstellung für den mangelnden Willen zur Veränderung verantwortlich sind. Oft sind es tief verwurzelte Überzeugungen die Menschen darin hindern, flexibel auf neue Herausforderungen zu reagieren.

 

 

 

 

 

Viele Menschen ändern Dinge nur, wenn sie sich dazu gezwungen sehen. Die Frage ist jedoch nicht, ob man sich ändern kann, sondern ob man sich wirklich ändern will. Deshalb sollte der Manager recht- und frühzeitig genügend überzeugende Gründe sammeln, die für die Veränderung sprechen dann wird es ihm eher möglich sein, sich neue Verhaltensweisen anzueignen. Es ist daher nicht eine Frage des Aufwandes, den eine Veränderung zwangsläufig nach sich zieht, sondern eine Frage des Preises, den er zu zahlen hat, wenn er sich nicht ändert.

 

 

 

Offene Kommunikation

 

 

Neben der mangelnden persönlichen Veränderungsbereitschaft der Führungskräfte liegt ein weiterer Grund für das Scheitern des Veränderungsprozesses in handwerklichen Fehlern bei der Implementierung. Alle Menschen sind offen für Veränderungen wenn man sie nur genügend involviert, fragt und informiert. Doch es sind die Change-Initiatoren selbst, die die Veränderung aufgrund mangelhafter Informations- und Kommunikationspolitik geradezu fahrlässig be- und verhindern. Hinter verschlossenen Türen und im Kreis ausgewählter Manager wird das Neue zusammen mit hoch bezahlten Unternehmensberatern konzipiert Management im Elfenbeinturm. Problematisch wird der Aufenthalt im Elfenbeinturm, wenn Informationen frühzeitig und unvorbereitet das Licht der Mitarbeiteröffentlichkeit erblicken.

 

 

 

 

 

Was spricht eigentlich dagegen, mit offenen Karten zu spielen? Den Mitarbeitern zu vertrauen und darauf zu verzichten, die Führungskräfte Non-Disclosure-Agreements unterschreiben zu lassen, in denen sie sich verpflichten, Informationen zu Changeprozessen und -projekten auf keinen Fall weiterzugeben vor allem nicht an die "normalen" Mitarbeiter?

 

 

 

 

Es ist schon im Tagesgeschäft schwierig genug, die Kommunikationskanäle offen zu halten erst recht in Zeiten von Veränderungsprozessen, die jeden betreffen. Aber es geht. Und zwar indem der Kommunikationsprozess von einem kleinen Team gemanagt wird, das aus einem Bereichsleiter, einem internen und einem externen Coach besteht. Das Team stimmt sich permanent mit den Managern, den Change-Agents, ab. Eine solche Kommunikationsstruktur zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus:

 

 

 

 

 

 

  • In jedem Change-Projektteam sitzt eine Person, die für das Change-Marketing zuständig ist.
  • Die Ergebnisse der Management- und Change-Projektteam-Meetings werden in einer abgestimmten "Presseerklärung" zusammengefasst.
  • Das Change-Projektteam gibt einen monatlichen Newsletter mit Erfolgsstorys heraus und informiert über den neuesten Stand des Projektes. Hier stellen sie nicht nur die Helden mit ihren motivierenden Erfolgsstorys vor, sondern werfen zudem Fragen auf und sprechen Probleme an.
  • Im Intranet erscheinen Erfahrungsberichte. Die Mitarbeiter nutzen das unternehmensinterne Intranet sowohl als Kummer- und Ideenkasten eine Fundgrube für die Manager und Change-Agents.
  • Es finden regelmäßige Meetings der Projektteams und der Abteilungen statt, um den Change zu thematisieren.
  • Projekt-Reviews werden durchgeführt etwa jeden Monat im Projektteam und alle drei Monate gemeinsam mit dem Managementteam. In Workshops diskutiert das Management- gemeinsam mit dem Projektteam Probleme und Chancen, Risiken und Entwicklungsmöglichkeiten.
  • Für alle Führungskräfte werden begleitende Seminare veranstaltet. Hier können sie die für den Change notwendigen Fähigkeiten erlernen und trainieren.
  • Regelmäßig gibt es einen Diskussionsmarkt: Die Change-Projektmanager stellen auf Messeständen verteilt auf mehrere Räume ihre Zwischenergebnisse vor. Die Mitarbeiter können in Gruppen mit den Projektmanagern diskutieren.
  • Alle Führungskräfte erhalten das Angebot, sich mit persönlichen Problemen und Fragen an die internen oder externen Trainer zu wenden und sich coachen zu lassen.
  • Im Zuge des Change-Prozesses werden Zielvereinbarungen als Steuerungsinstrument eingeführt. In den Zielvereinbarungsgesprächen steht die Vereinbarung von Ergebniszielen, Teamzielen und persönlichen Entwicklungszielen an. Dies eröffnet den Führungskräften und Mitarbeiter die Chance, über ihre zukünftige Rolle im und nach dem Change nachzudenken und sich neu zu orientieren.
  • Wann immer möglich, werden persönliche Gespräche geführt.

 

 

Aktives Change-Marketing

 

 

Ohne ein effektives Kommunikationsmanagement lassen sich Veränderungsprozesse nicht gestalten. Menschen wollen informiert und involviert sein, nicht außen vor gelassen werden. Grundsätzlich gilt: Entscheidungen insbesondere Grundsatzentscheidungen werden bis zur Reife unter Verschluss gehalten. Wenn sie aber gefallen sind, muss das Unternehmen sie sofort vollständig, offen und aktiv kommunizieren.

 

 

 

 

 

Bereits bei der Vorbereitung und Diskussion der Grundsatzentscheidungen kann das Unternehmen aber überlegen, ob es nicht einige Führungskräfte und Mitarbeiter einbeziehen sollte. Denn im Rahmen eine Grundsatzentscheidung gibt es sehr viele Teilentscheidungen, die es gemeinsam mit den Beteiligten und Betroffenen diskutieren und vereinbaren kann. Ja, oft müssen sie sogar zusammen mit den Mitarbeitern getroffen werden. Denn wer kennt die Kunden und die externen sowie internen Prozesse und Strukturen besser als sie? Die Ausrede, man könne bei Hunderten oder Tausenden von Menschen keine umfangreiche Beteiligung sicherstellen, gilt nicht. Es existieren durchaus Formen der Meeting-Gestaltung etwa Diskussionsmärkte und Open-Space-Konferenzen und elektronische Medien, die es erlauben, alle zu beteiligen, zu befragen und zu Beiträgen aufzufordern.

 

 

Die Change Agents als Antreiber

 

 

 

Als aktive Förderer des Kommunikationsprozesses sollten die internen Manager und Entscheider selbst auftreten. Aufgrund ihrer Position verfügen sie über einen Grad an Ansehen und Glaubwürdigkeit, den Projektsprecher oder externe Berater nie erreichen können. Dabei ist wichtig, dass der Change in dem Empfinden der Mitarbeiter ein positives Image erhält. Dieses Image wird gefördert, wenn es den Mitarbeitern möglich ist, die Sinnhaftigkeit des Changeprozesses nachzuvollziehen. Zu empfehlen ist daher, den Veränderungsprozess in eine stimmige und griffig formulierte Vision einzubetten, die für alle Mitarbeiter eine identifikationsstiftende Funktion hat und zugleich Orientierung ermöglicht. Die Vision kann in ein einprägsames Bild gegossen werden und so attraktiv wirken, dass die Mitarbeiter bereit sind, dafür Anstrengungen und Entbehrungen in Kauf zu nehmen. Denn wer weiß, warum die Veränderung notwendig ist, wohin sie führt und welche persönlichen Konsequenzen sie für jeden hat, entwickelt Lust an der Veränderung.

 

 

 

 

 

Aus der Verknüpfung von motivierender und nachvollziehbarer Vision sowie offener, frühzeitiger und anschaulicher Kommunikation kann eine Change-Marketing-Strategie entstehen, die Mitarbeiter zu aktiven Förderern der angestrebten Veränderung macht, deren Realisierung sie mit Herzblut anstreben.

 

 

 

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