2017/4 | Fachbeitrag | Dokumentenmanagement

E-Government: Die graue Maus der Digitalisierung

von Ralf Oehlmann

Inhaltsübersicht:

Auf der ganzen Welt schreitet die Digitalisierung mit großen Schritten voran. Mehr und mehr Lebensbereiche und Geschäftsprozesse werden digital vernetzt und damit oft neu strukturiert. Online-Handel, Musikstreaming und Social Media haben neue Verhaltensweisen, Kommunikations- und Konsumgewohnheiten initiiert; Cloud Computing, Big Data oder das Internet der Dinge verändern nicht nur die Abläufe in den Unternehmen, sondern haben auch neue Geschäftsmodelle, ja sogar neue Märkte und neue „Digitale Player“ geschaffen. Doch welche Rolle spielt die Öffentliche Verwaltung in diesem bunten, überaus dynamischen und aufregenden Szenario?

Der mühsame Weg zur digitalen Verwaltung

Tatsächlich kommt die Digitalisierung der Behörden und Ämter in Deutschland nur sehr mühsam voran. Zwar gibt es immer wieder große Initiativen, durchaus auch auf höchster Ebene, so beispielsweise die „Digitale Verwaltung 2020“, und auch das E-Government-Gesetz, das die Behörden letzten Endes zur Digitalisierung verpflichtet, ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Doch in der Praxis des Alltags liegen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. Dies zeigt sich vor allem an den kommunalen Online-Angeboten, also an der Stelle, an der der Bürger in der Regel den engsten und häufigsten Kontakt zu Behörden hat, wo er Meldebescheinigungen, Ausweise, Führerscheine, Wohngeld, Gewerbescheine, Hundemarken oder Baugenehmigungen beantragt – Prozesse, die in den meisten Fällen nicht durchgängig digital gestaltet sind.

Diese zähe Entwicklung ist bedauerlich, denn in vielen Verwaltungen besteht bereits ein dringender Bedarf, Dokumente durchgängig zu erfassen, zu bearbeiten und zu archivieren. Der elektronische Aktenaustausch ermöglicht unter anderem einen ortsunabhängigen und kontinuierlichen Zugriff auf alle Dokumente und eine medienbruchfreie Arbeit in allen Behörden. Damit entstehen nicht nur Vorteile für den internen Gebrauch oder den Austausch mit anderen Verwaltungsuntergliederungen, sondern auch zur Nutzung durch die Bürger. Sie sollen letztlich von einer einfacheren und effizienteren Verwaltung profitieren. Durch bessere Serviceleistungen, schnellere Auskunftsfähigkeit und leichteres Auffinden von bearbeitungsrelevanten Informationen soll der Gang zum Amt überflüssig werden, denn Bürger und Unternehmen können unabhängig von Öffnungszeiten mit der Verwaltung kommunizieren. Wollen Kommunen die Kommunikation mit den Bürgern verbessern, sollten sie baldmöglichst auch Social-Media-Kanäle für den Dialog mit den Bürgern nutzen.

Deutlich schneller und wirtschaftlicher dank Automatisierung

Die Automatisierung manueller Abläufe in Behörden, etwa bei der automatischen Erfassung der auf unterschiedlichen Wegen eingehenden Schriftstücke und Dokumente, können Durchlauf- und Liegezeiten deutlich verringern. Laut einer Forsa-Studie konnten 78 Prozent der befragten Entscheider mit E-Government interne und externe Arbeitsabläufe beschleunigen. In vielen Projekten konnten die Verwaltungen dadurch die Vorgangsbearbeitung um 30 bis 50 Prozent beschleunigen, die Kosten für die Ablage senken und die Durchlaufzeiten im Einzelfall bis zu 90 Prozent reduzieren.

Folgende Hochrechnung am Beispiel einer realen mittelgroßen Kommune verdeutlicht das Einsparungspotenzial: Die Bearbeitung von Schriftstücken verursacht derzeit Kosten von rund 3,7 Millionen Euro. Durch den Einsatz einer E-Government-Lösung könnten diese Kosten um mehr als 40 Prozent, also um rund 1,5 Millionen Euro reduziert werden. Man kann also davon ausgehen, dass sich die Investitionen in die Digitalisierung auch für die Öffentliche Verwaltung in kurzer Zeit amortisieren.

Flexibler arbeiten, kundenorientierter reagieren

Die Behörden können also die Komplexität ihrer Verwaltung mit einer E-Government-Lösung deutlich verringern. Eine gesteigerte Nutzerfreundlichkeit durch eine einheitliche, konsistente Arbeitsumgebung führt außerdem dazu, dass die Akzeptanz der Mitarbeiter gegenüber der elektronischen Aktenverwaltung zunimmt, was den Erfolg einer digitalen Verwaltungsarbeit maßgeblich beeinflusst. Damit sind Verwaltungen in der Lage, deutlich flexibler als bislang zu arbeiten und schneller auf neue Anforderungen, Prozesse und Umstrukturierungen zu reagieren. Letztlich stellen sie damit ihre Innovationsfähigkeit sicher.

Kommunen verfügen nur vereinzelt über die IT-Kapazität, um eine E-Government-Lösung zu implementieren und zu betreiben. Aufgrund fehlender eigener Ressourcen sind allgemein viele Behörden beim Entwurf, der Umsetzung und dem Betrieb einer E-Government-Lösung auf Partner angewiesen, die über umfangreiche Beratungs- und Projekterfahrungen aus dem öffentlichen Sektor verfügen.

Auch beim Bereitstellungs- und Betriebsmodell sollte eine maximale Flexibilität sichergestellt sein: Einige Kommunen wollen und können eine E-Government-Lösung in ihrem eigenen oder auch in einem regionalen Gebietsrechenzentrum betreiben. Andere werden sich für ein Cloud-Betriebsmodell entscheiden – sei es in einer eigenen Cloud oder in der eines Cloud-Providers. Eine mandantenfähige, hochskalierbare E-Government-Lösung, die sich auch für den Einsatz in großen Landes- oder Bundesbehörden mit mehreren Tausend Mitarbeitern eignet, sollte daher das gesamte Spektrum von Bereitstellungs- und Betriebsmodellen unterstützen.

Fazit

Durch die Einführung einer zukunftsfähigen E-Government-Lösung sind Städte oder Kreisverwaltungen in der Lage, sich mit einer bürgernahen Verwaltung als innovativer Dienstleister zu positionieren. Investitionen in E-Government sind letztlich auch eine Frage der regionalen Wirtschaftsförderung und der Stärkung des Wirtschaftsstandorts.

Wer mit knappen Ressourcen arbeiten muss, sollte beim Entwurf, der Umsetzung und dem Betrieb einer E-Government-Lösung auf einen externen Partner zurückgreifen, der über entsprechende Projekterfahrungen verfügt. Beim Bereitstellungs- und Betriebsmodell sollte man auf hohe Flexibilität achten, um für künftige Entwicklungen und Vorschriften gerüstet zu sein; so lassen sich beispielsweise E-Government-Lösungen heute nicht nur im eigenen oder in einem Gebietsrechenzentrum betreiben, sondern auch in der Cloud – sei es in einer eigenen oder in der eines Providers. Skalierbare Lösungen, unterstützen das gesamte Spektrum von Bereitstellungs- und Betriebsmodellen, und sind in der Lage, mit den Anforderungen zu wachsen. Schließlich ist die Digitalisierung auch im öffentlichen Sektor keine statische, ein für alle Mal fest definierte Angelegenheit, sondern entwickelt sich laufend weiter.

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